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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Blick, von dieser ungehörigen Nähe der vortretenden blauweißen Augäpfel. Leise sagt er, Cromwell: »Gott schütze Sie, Majestät. Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen?«
    Und dann geht er, ob Henry ihn entschuldigt oder nicht, hinaus. Er geht in den angrenzenden Raum. Es gibt diesen Ausdruck: »Mein Blut kochte.« Sein Blut kocht jetzt. Wieder legt er die Handgelenke übereinander, setzt sich auf eine Truhe und ruft nach etwas zu trinken. Als es gebracht wird, nimmt er den kühlen Zinnbecher in die rechte Hand und fährt mit den Fingerkuppen über die Rundung: Es ist ein kräftiger Claret. Er verschüttet einen Tropfen, wischt ihn mit dem Zeigefinger auf und fährt mit der Zunge darüber, sodass er verschwindet. Er kann nicht sagen, ob der Trick den Schmerz gemindert hat, wie Walter es meinte. Aber er ist froh, dass sein Vater bei ihm ist. Einer muss bei ihm sein.
    Er hebt den Blick. Chapuys Gesicht schwebt über ihm, lächelnd, eine hämische Maske. »Mein lieber Freund, ich dachte, Ihre letzte Stunde sei gekommen. Ich dachte, Sie würden sich vergessen und ihn schlagen.«
    Er sieht ihn an und lächelt. »Ich vergesse mich nie. Was ich tue, will ich tun.«
    »Obwohl Sie vielleicht nicht meinen, was Sie sagen.«
    Er denkt, der Botschafter hat fürchterlich gelitten, nur weil er seine Arbeit getan hat. Darüber hinaus habe ich seine Gefühle verletzt und mich über seinen Hut lustig gemacht. Morgen mache ich ihm ein Geschenk, ein Pferd, ein stattliches Reitpferd. Ich selbst werde vorher die Hufe anheben und die Eisen prüfen.
    Der Rat des Königs trifft sich am nächsten Tag. Wiltshire, oder Monseigneur, ist dabei: Die Boleyns sind geschmeidige Katzen, die sich auf ihren Sitzen räkeln und die Barthaare putzen. Ihr Verwandter, der Herzog von Norfolk, wirkt zerzaust und entnervt. Er hält ihn auf dem Weg nach drinnen auf, ihn, Cromwell: »Alles in Ordnung, Junge?«
    Wurde der Master of the Rolls je vom Earl Marshal von England so angesprochen? Im Ratszimmer schiebt Norfolk die Hocker herum und lässt sich knarzend auf einem nieder, der ihm gefällt. »Genau so macht er es.« Er schenkt ihm ein Grinsen und lässt kurz die Eckzähne aufblitzen. »Man ist gerade so im Gleichgewicht, steht auf seinen Füßen, und schon bläst er einem den Boden weg.«
    Er nickt und lächelt geduldig. Henry kommt herein und setzt sich wie ein großes mürrisches Baby auf einen Stuhl am Kopf des Tisches. Sieht niemandem in die Augen.
    Jetzt: Er hofft, seine Kollegen kennen ihre Pflichten. Er hat sie ihnen oft genug erklärt. Schmeichelt Henry. Fleht ihn an. Beschwört ihn, das zu tun, was er, wie jeder weiß, sowieso tun muss. Dann hat er das Gefühl, er hat die Wahl. Dann empfindet er einen das Herz wärmenden Respekt für sich, als kümmerte er sich nicht um seine eigenen Interessen, sondern um eure.
    Majestät, sagen die Räte. Wenn es Ihnen gefällt. Um des Reiches und des Gemeinwohls willen die sklavischen Ouvertüren des Kaisers gutwillig zu betrachten. Sein Winseln und Flehen.
    Das dauert fünfzehn Minuten. Endlich sagt Henry, nun, wenn es dem Gemeinwohl dient, werde ich Chapuys empfangen, und wir fahren mit unseren Verhandlungen fort. Dazu werde ich, nehme ich an, alle persönlichen Beleidigungen schlucken müssen, die ich erlitten habe.
    Norfolk beugt sich vor. »Stellen Sie sich vor, es ist ein Schluck Medizin, Henry. Bitter; aber spucken Sie ihn um Englands willen nicht wieder aus.«
    Damit sind sie beim Thema Ärzte und sprechen über die Ehe von Lady Mary. Nach wie vor beklagt sie sich, wohin immer der König sie schickt, über schlechte Luft, nicht ausreichendes Essen und nicht ausreichende Beachtung ihrer Privatsphäre, über böse Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Gemütsschwere. Ihre Ärzte meinen, die Verbindung mit einem Mann wäre gut für ihre Gesundheit. Wenn die entscheidenden Lebensgeister einer jungen Frau aufgestaut werden, wird sie blass und dünn, ihr Appetit schwindet, sie beginnt zu verkümmern. Die Ehe wäre eine Beschäftigung, die sie ihre kleinen Leiden vergessen ließe. Ihr Schoß bliebe fest und nutzungsbereit in ihr verankert und würde nicht dazu neigen, sich durch ihren Körper zu bewegen, als hätte er nichts Besseres zu tun. Ohne Mann braucht Lady Mary unermüdliche Ertüchtigung auf dem Pferderücken, was schwierig für jemanden ist, der unter Hausarrest steht.
    Henry räuspert sich und spricht: »Der Kaiser, das ist kein Geheimnis, hat mit seinen Beratern über Mary gesprochen. Er würde

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