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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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hinaus. Eine fürstliche Vorstellung. Nur dass er ein Bein nachzieht. Über die Schulter ruft er dem Botschafter zu: »Ich verlange eine umfassende, öffentliche Entschuldigung.«
    Er, Cromwell, lässt die Luft aus seiner Lunge entweichen. Der Botschafter durchquert murmelnd den Raum. Zerstreut greift er nach seinem Arm. »Cremuel, ich weiß nicht, wofür ich mich entschuldigen soll. Ich komme gutgläubig her, werde in eine Begegnung mit dieser Kreatur gelockt, werde gezwungen, ein endloses Essen lang Höflichkeiten mit ihrem Bruder auszutauschen, und am Ende auch noch von Henry angegriffen. Er will meinen Master, er braucht meinen Master und spielt doch wieder nur das alte Spiel, versucht sich teuer zu verkaufen, tut so, als könnte er Truppen schicken, um König François in Italien zu helfen. Aber wo sind diese Truppen? Ich sehe sie nicht, ich habe Augen, aber seine Armee sehe ich nicht.«
    »Ganz ruhig«, beruhigt ihn Audley. »Wir werden uns um die Entschuldigung kümmern, Monsieur. Lassen Sie ihn sich beruhigen. Keine Angst. Warten Sie mit den Depeschen an Ihren Master, schreiben Sie heute Abend noch nicht. Wir werden die Gespräche in Gang halten.«
    Über Audleys Schulter sieht er Edward Seymour heranschweben. »Ah, Botschafter«, sagt er mit einer verbindlichen Gewissheit, die er nicht verspürt. »Jetzt haben Sie Gelegenheit …«
    Edward macht einen Satz vor. »Mon cher ami …«
    Black sieht von den Boleyns herüber. Edward stößt in die Lücke, gewappnet mit souveränem Französisch. Nimmt Chapuys beiseite: keine Sekunde zu früh. Unruhe an der Tür. Der König ist zurück, platzt in die Mitte der Gentlemen.
    »Cromwell!« Henry bleibt vor ihm stehen. Er keucht. »Sorgen Sie dafür, dass er das begreift. Der Kaiser hat mir keine Bedingungen zu stellen. Der Kaiser hat sich dafür zu entschuldigen, dass er mir mit Krieg gedroht hat.« Sein Gesicht quillt über. »Cromwell, ich weiß genau, was Sie getan haben. Sie sind in dieser Sache zu weit gegangen. Was haben Sie ihm versprochen? Was immer es ist, es liegt nicht in Ihrer Befugnis. Sie setzen meine Ehre aufs Spiel. Aber was erwarte ich, wie kann ein Mann wie Sie die Ehre eines Fürsten verstehen? Sie sagen: ›Oh, Henrys bin ich mir sicher, den König habe ich in der Tasche.‹ Streiten Sie es nicht ab, Cromwell, ich kann es Sie sagen hören. Sie wollen mich abrichten, habe ich recht? Wie einen Ihrer Jungen in Austin Friars? Dass ich mir mit der Hand an den Hut fahre, wenn Sie morgens herunterkommen, und sage: ›Wie geht es Ihnen, Sir?‹. Dass ich einen halben Schritt hinter Ihnen durch Whitehall gehe. Ihnen die Akten trage, das Tintenfass und Ihr Siegel. Und warum nicht auch eine Krone, äh, in einer ledernen Tasche, direkt hinter Ihnen her?« Henry krümmt sich vor Wut. »Ich glaube wirklich, Cromwell, Sie denken, Sie sind der König, und ich bin der Sohn des Schmieds.«
    Er wird später nie behaupten, dass ihm das Herz nicht in tiefste Tiefen fiel. Er rühmt sich keiner Kaltblütigkeit, wie sie kein vernünftiger Mann besitzt. Henry hätte jeden Moment seinen Wächtern ein Zeichen geben können, und er, Cromwell, hätte das kalte Metall auf den Rippen gespürt, das Ende.
    Aber er tut einen Schritt zurück. Er weiß, seinem Gesicht ist nichts anzusehen, weder Reue noch Bedauern noch Angst. Er denkt: Niemals hättest du der Sohn des Schmieds sein können. Walter hätte dich in seiner Schmiede nicht gewollt. Muskeln sind nicht alles. In den Flammen brauchst du einen kühlen Kopf. Die Funken fliegen hinauf zu den Balken, und du musst aufpassen, wenn sie auf dich herabfallen, sie mit einer Bewegung deiner harten Hand zur Seite wischen: Gerätst du in Panik, bist du in einer Werkstatt voll mit geschmolzenem Metall nicht von Nutzen. Und jetzt, das Gesicht seines schwitzenden Monarchen direkt vor sich, erinnert er sich an etwas, das ihm sein Vater gesagt hat: Wenn du dir die Hand verbrennst, Tom, hebe sie beide, lege die Handgelenke übereinander und bleibe so, bis du Wasser oder eine Salbe bekommst: Ich weiß nicht, wie es funktioniert, doch es verwirrt den Schmerz, und wenn du gleichzeitig ein Gebet sprichst, kommst du vielleicht einigermaßen davon.
    Er hebt die Hände. Legt die Handgelenke übereinander. Zurück, Henry. Als verwirrte ihn die Geste – fast wie erleichtert, dass er aufgehalten wird –, hört der König auf zu schimpfen: Er macht einen Schritt zurück, wendet das Gesicht ab und befreit ihn, Cromwell, von diesem blutunterlaufenen

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