Falken: Roman (German Edition)
»der große umzäunte Garten«, »der Garten der alten Lady« und »der Garten der jungen Lady« genannt. Als er fragt, wer die beiden waren, erinnert sich niemand: Die alte und die junge Lady sind vor langer Zeit begraben worden, und es herrscht kein Unterschied mehr zwischen ihnen. Er denkt an seinen Traum: die Braut aus Wurzelfasern, die Braut aus Moder.
Er liest. Er schreibt. Etwas zerrt an seiner Aufmerksamkeit. Er steht auf und sieht durch das Fenster auf die Wege unten. Die Scheiben sind klein, und im Glas ist ein Flattern, sodass er den Hals recken muss, um besser sehen zu können. Er denkt: Ich könnte meinen Glaser schicken und den Seymours zu einem klareren Blick auf die Welt verhelfen. Er hat einen Trupp Holländer, der auf seinen verschiedenen Besitzungen für ihn arbeitet. Früher standen sie in Diensten des Kardinals.
Henry und Jane gehen unten entlang. Henry ist von massiger Gestalt, Jane daneben eine kleine Gliederpuppe, ihr Kopf reicht dem König nicht einmal bis zur Schulter. Henry ist so groß und breit, dass er jeden Raum dominiert. Das wäre auch so, wenn Gott ihm das Geschenk des Königtums nicht gemacht hätte.
Jetzt ist Jane hinter einem Busch. Henry nickt ihr zu, er spricht zu ihr. Er redet ihr etwas ein, und er, Cromwell, kratzt sich am Kinn: Wird der Kopf des Königs größer? Ist das möglich, mitten im Leben?
Hans wird es aufgefallen sein, denkt er. Ich werde ihn fragen, wenn ich zurück nach London komme. Wahrscheinlich täusche ich mich, und es ist nur das Glas.
Wolken ziehen auf. Ein schwerer Regentropfen schlägt gegen die Scheibe; er blinzelt. Der Tropfen breitet sich aus, weiter, rinnt gegen die Einfassung. Jane hüpft zurück in seinen Blick. Henry hält ihre Hand auf seinem Arm fest, hat sie mit der anderen Hand im Griff. Er kann sehen, wie sich der Mund des Königs immer noch bewegt.
Er setzt sich wieder. Er liest, dass die Arbeiter beim Befestigungsbau von Calais die Werkzeuge niedergelegt haben und sechs Pence pro Tag fordern. Dass sein grüner Samtmantel mit dem nächsten Kurier nach Wiltshire kommt und ein Medici-Kardinal vom eigenen Bruder vergiftet wurde. Er gähnt. Hamsterer treiben auf der Isle of Thanet mit Absicht den Getreidepreis in die Höhe. Er persönlich würde die Hamsterer aufhängen, aber ihr Anführer könnte irgendein kleiner Lord sein, der Hunger sät, um dicke Gewinne zu machen, und da gilt es, vorsichtig vorzugehen. Vor zwei Jahren in Southwark wurden sieben Londoner beim Kampf um eine Brotgabe erdrückt. Es ist eine Schande für England, dass Untertanen des Königs hungern. Er nimmt seine Feder und macht sich eine Notiz.
Bald darauf – es ist kein großes Haus und man kann alles hören – geht unten die Tür, die Stimme des Königs ist zu vernehmen und ein summendes Werben um ihn … Nasse Füße, Majestät? Henrys schwere Schritte kommen näher, aber Jane scheint geräuschlos dahingeschmolzen zu sein. Fraglos haben ihre Mutter und ihre Schwestern sie gleich beiseitegenommen, um zu hören, was der König gesagt hat.
Als Henry hinter ihm hereinkommt, schiebt er den Stuhl zurück, um aufzustehen. Henry winkt ab: Machen Sie weiter. »Majestät, die Moskauer haben dreihundert Meilen polnisches Gebiet eingenommen. Es heißt, fünfzigtausend Mann sind tot.«
»Oh«, sagt Henry.
»Ich hoffe, sie verschonen die Bibliotheken. Die Gelehrten. Es gibt sehr gelehrte Leute in Polen.«
»Hmm. Das hoffe ich auch.«
Er kehrt zu den Depeschen zurück. Die Pest überall im Land … der König hat immer große Angst vor einer Ansteckung … Briefe von ausländischen Herrschern, die wissen wollen, ob es stimmt, dass Henry vorhat, allen Bischöfen die Köpfe abzuschlagen. Sicher nicht, schreibt er, wir haben ausgezeichnete Bischöfe, die alle mit den Wünschen des Königs übereinstimmen und ihn als Oberhaupt der Kirche von England anerkennen. Was für eine grobe Frage im Übrigen! Wie können die es wagen, anzudeuten, der König von England solle einer ausländischen Macht gegenüber Rechenschaft ablegen? Wie können die es wagen, sein souveränes Urteil anzuzweifeln? Bischof Fisher ist tot, das stimmt, und auch Thomas More, aber Henry hat beide, bis sie ihn zum Äußersten trieben, fast schon sträflich milde behandelt. Hätten sie keine verräterische Sturheit bewiesen, würden sie heute noch leben, leben wie du und ich.
Er hat viele solcher Briefe geschrieben seit Juli. Er klingt nicht völlig überzeugend, nicht einmal für sich selbst. Er sieht, wie er
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