Falken: Roman (German Edition)
hört. Viele Lords werden Sie beneiden. Verständnis können Sie von ihnen nicht erwarten. ›Was ist Ihr Geheimnis, Smeaton?‹, werden sie fragen. Worauf Sie rot werden und sagen: Ah, Gentlemen, das darf ich nicht preisgeben. Aber Sie werden es preisgeben, Mark, denn man wird Sie dazu zwingen. Sie tun es freiwillig, oder unter Zwang.«
Er wendet sich von dem Jungen ab, dessen Gesicht von Entsetzen erfasst wird und der zu zittern beginnt: fünf kurze Minuten der Prahlerei in einem unerfüllten Leben, und schon schicken die Götter ihre Rechnung wie nervöse Handelsmänner. Mark hat in einer selbst ausgedachten Geschichte gelebt, in der die schöne Prinzessin in ihrem Turm vor ihrem Fenster Musik von überirdischer Süße hört. Sie sieht hinaus und erkennt im Mondlicht den einfachen Musiker mit seiner Laute. Aber solange sich nicht herausstellt, dass der Musiker ein verkleideter Prinz ist, kann die Geschichte nicht gut ausgehen. Die Türen öffnen sich, gewöhnliche Gesichter drängen herein, und der Traum zerschellt: Du bist in Stepney, es ist ein warmer Abend zu Frühlingsbeginn, der letzte Vogel verstummt im Schweigen der Dämmerung, irgendwo wird ein Riegel vorgeschoben, ein Hocker kratzt über den Boden, draußen vor dem Fenster bellt ein Hund, und Thomas Cromwell sagt zu dir: »Wir alle wollen essen, also beeilen wir uns. Hier sind Papier und Tinte. Master Wriothesley wird für uns schreiben.«
»Ich kann keine Namen nennen«, sagt der Junge.
»Sie meinen, die Königin hat außer Ihnen keine Liebhaber? So sagt sie es Ihnen. Aber ich glaube, Mark, sie hat Sie betrogen. Was leicht der Fall sein kann, das müssen Sie zugeben, hat sie doch auch den König betrogen.«
»Nein.« Der arme Kerl schüttelt den Kopf. »Ich glaube, sie ist keusch. Ich weiß nicht, wie ich dazu gekommen bin zu sagen, was ich gesagt habe.«
»Ich auch nicht. Niemand hat Ihnen wehgetan, oder? Sie gezwungen oder hereingelegt? Sie haben es von sich aus gesagt. Master Richard ist mein Zeuge.«
»Ich nehme es zurück.«
»Das denke ich nicht.«
Es kommt zu einer Pause, während sich der Raum neu ordnet, die Gestalten in ihm einen Platz in der Landschaft des Abends einnehmen. Der Master Sekretär sagt: »Es ist kühl, wir sollten Feuer machen lassen.«
Das ist eine einfache häusliche Überlegung, und doch denkt Mark, sie wollen ihn verbrennen. Er springt auf und läuft zur Tür, was vielleicht die erste vernünftige Regung ist, die er zeigt, aber Christophe ist da, so stämmig wie freundlich, um ihn aufzuhalten. »Setz dich, hübscher Junge«, sagt Christophe.
Das Holz ist bereits aufgeschichtet. Es dauert so lange, die Funken anzufachen. Endlich ist ein leises, willkommenes Knistern zu hören, der Bedienstete zieht sich zurück, wischt sich die Hände an seiner Schürze ab, und Mark verfolgt, wie sich die Tür hinter ihm schließt. Auf seinem Gesicht liegt ein hilfloser Ausdruck, der von Neid gespeist sein könnte, weil er in diesem Moment lieber eine Küchenhilfe wäre oder ein Junge, der die Aborte reinigt. »Oh Mark«, sagt der Master Sekretär. »Ehrgeiz ist Sünde. So hat man mir gesagt. Obwohl ich nie verstanden habe, worin der Unterschied dazu liegt, seine Talente gemäß der Gebote der Bibel zu benutzen. Da sind wir also, Sie und ich, und beide waren wir einmal Diener des Kardinals. Wenn er uns hier heute Abend so sitzen sehen könnte, wissen Sie, wäre er sicher nicht im Mindesten überrascht. Doch zur Sache. Wen haben Sie im Bett der Königin abgelöst? War es Norris? Oder haben Sie einen Dienstplan wie die Hofdamen der Königin?«
»Ich weiß es nicht. Ich nehme es zurück. Ich kann Ihnen keine Namen geben.«
»Es wäre eine Schande, allein zu leiden, wenn auch andere schuldig sind. Und natürlich sind die anderen schuldiger als Sie, sind es doch Gentlemen, die der König persönlich belohnt und groß gemacht hat. Gebildet sind sie und einige in reifem Alter: wohingegen Sie einfältig und jung sind und so sehr zu bemitleiden wie zu bestrafen, würde ich sagen. Erzählen Sie uns von Ihrem Ehebruch mit der Königin und was Sie über ihre Beziehungen zu anderen Männern wissen. Wenn Ihr Geständnis umgehend und umfassend erfolgt, klar und schonungslos ist, kann es sein, dass der König sich gnädig zeigt.«
Mark hört ihn kaum. Er zittert am ganzen Leib, sein Atem geht schnell, er fängt an zu weinen und stolpert über seine Worte. Einfachheit ist jetzt gefordert, zügiges Fragen, das nach klaren Antworten verlangt.
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