Falken: Roman (German Edition)
Lächeln und meine Friedfertigkeit, dass sie meiner Darstellung gern folgten. Die Dinge, die man für die Katastrophen seines Lebens hält, sind es nicht wirklich. Fast alles lässt sich umkehren: Aus jedem Graben führt ein Weg, man muss ihn nur erkennen.
Er denkt an Gerichtsverhandlungen, an die er seit Jahren nicht gedacht hat. Waren die Urteile gut? Hätte auch er sie so gegen sich gefällt?
Er fragt sich, ob er je einschlafen und was er träumen wird. Nur in seinen Träumen ist er ganz für sich. Thomas More pflegte zu sagen: Sie sollten sich einen Rückzugsort schaffen, eine Einsiedelei im eigenen Haus. So war More, fähig, jedem die Tür vor der Nase zuzuschlagen. In Wahrheit kannst du sie nicht trennen, dein öffentliches Selbst und dein privates Selbst. More dachte, es ginge, doch am Ende ließ er Männer, die er Häretiker nannte, in sein Haus in Chelsea bringen, damit er sie bequem im Schoß der Familie mit seinen Fragen quälen konnte. Du kannst auf der Trennung bestehen, wenn es sein muss. Gehe in dein Schlafzimmer und sage: »Lasst mich allein, ich will lesen«, doch draußen vor der Tür hörst du Atmen und Scharren, Unmut breitet sich aus, ein erwartungsvolles Rumoren: Er ist eine öffentliche Person, er gehört uns, wann kommt er heraus? Das kannst du nicht ausblenden, das Scharren der Füße des öffentlichen Gemeinwesens.
Er dreht sich im Bett und spricht ein Gebet. Tief in der Nacht hört er Schreie. Sie gleichen eher dem Jammern eines Kindes, das einen Albtraum hat, als den Schmerzensschreien eines Mannes, und er denkt im Halbschlaf: Sollte sich nicht eine Frau darum kümmern? Dann denkt er: Es muss Mark sein. Was machen sie mit ihm? Ich habe gesagt, sie sollen noch nichts tun.
Aber er rührt sich nicht. Er glaubt nicht, dass jemand in diesem Haus seine Befehle missachtet. Er fragt sich, ob sie in Greenwich schlafen. Das Arsenal liegt zu nahe beim Palast, und in den Stunden vor einem Turnier wird oft noch gehämmert. Das Schmieden, das Formen, das Schweißen und das Polieren in der Poliermaschine, das alles ist längst getan, aber hier und da fehlt noch eine Niete, etwas muss geölt und leichtgängig gemacht werden, ein paar letzte Anpassungen sind nötig, um die nervösen Kombattanten zu beruhigen.
Er fragt sich: Warum habe ich Mark die Gelegenheit gegeben zu prahlen? Sich zu ruinieren? Ich hätte den Vorgang verkürzen können, hätte ihm drohen und ihm sagen können, was ich wollte. Aber ich habe ihn ermutigt, weil ich ihn als Schuldigen wollte. Wenn er die Wahrheit über Anne gesagt hat, ist er schuldig. Wenn er gelogen hat, ist er kaum unschuldig. Ich war darauf vorbereitet, ihn unter Druck zu setzen. In Frankreich ist Folter normal. So notwendig wie Salz zum Kochen. In Italien ist es ein Sport für die Piazza. In England heißt das Gesetz sie nicht gut. Auf ein Nicken des Königs hin kann sie jedoch eingesetzt werden: mit seiner Erlaubnis. Im Tower steht tatsächlich eine Streckbank. Niemand widersteht ihr. Niemand. Bei den meisten Männern reicht ein Blick darauf, ist ihre Funktionsweise doch offensichtlich.
Er denkt: Das werde ich Mark sagen. Dann wird er sich besser fühlen.
Er sammelt die Decke um sich. Und dann kommt Christophe herein, um ihn zu wecken. Seine Augen scheinen vor dem Licht zurückzuschrecken. Er setzt sich auf. »Lieber Gott. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Warum hat Mark geschrien?«
Der Junge lacht. »Wir haben ihn zu den Weihnachtssachen gesperrt. Es war meine Idee. Wissen Sie noch, als ich den Stern in seiner Hülle gesehen habe? Ich habe gefragt, Master, was ist das für eine Maschine mit den ganzen Spitzen? Ich dachte, es wäre ein Folterapparat. Nun, es ist dunkel dort drinnen. Er fiel gegen den Stern und wurde aufgespießt, und dann kamen die Pfauenflügel aus ihrem Schleier und strichen ihm übers Gesicht. Er dachte, da wäre ein Geist mit ihm im Finstern eingesperrt.«
Er sagt: »Du musst noch eine Stunde ohne mich auskommen.«
»Sie sind doch nicht krank, um Himmels willen?«
»Nein, ich fühle mich nur miserabel, weil ich nicht geschlafen habe.«
»Ziehen Sie sich die Decke über den Kopf und bleiben liegen wie ein Toter«, rät ihm Christophe. »Ich komme in einer Stunde mit Brot und Ale.«
Mark taumelt grau vor Schreck aus dem Raum. Federn kleben an seinen Kleidern, keine Pfauenfedern, sondern Flaum von den Flügeln der Pfarrengel, dazu Goldstaub von den Kleidern der Heiligen Drei Könige. Die Namen fliegen so schnell aus Marks Mund,
Weitere Kostenlose Bücher