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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Arsch zuerst ins Boot. Wollen Sie das?«
    Alle Räte wenden die Köpfe und starren ihn an. »Madam«, sagt Audley, »seien Sie versichert, Sie werden behandelt, wie es Ihrem Stand entspricht.«
    Sie steht auf. Fasst die purpurnen Röcke und rafft sie, als wollte sie nicht, dass sie den gemeinsamen Boden berühren. »Wo ist Mylord mein Bruder?«
    Zuletzt wurde er in Whitehall gesehen, sagen sie: was stimmt, obwohl ihn mittlerweile die Wachen geholt haben dürften. »Und Monseigneur mein Vater? Das ist es, was ich nicht verstehe«, sagt sie. »Warum ist Monseigneur nicht hier bei mir? Warum setzt er sich nicht mit Ihnen zusammen, Gentlemen, um eine Lösung zu finden?«
    »Es wird ohne Zweifel eine Lösung geben.« Der Lordkanzler schnurrt fast. »Alles wird für Ihr Wohlbefinden getan werden. Es ist arrangiert.«
    »Aber für wie lange?«
    Niemand antwortet ihr. Vor der Tür wartet William Kingston, der Konstabler des Towers. Kingston ist ein riesiger Kerl, gebaut wie der König. Er benimmt sich vornehm, doch sein Amt und seine Erscheinung versetzen selbst den stärksten Mann in Angst und Schrecken. Er muss an Wolsey denken, als Kingston kam, um ihn zu verhaften: Die Beine versagten dem Kardinal den Dienst, und er musste sich auf eine Truhe setzen. Wir hätten, flüstert er Audley zu, Kingston zu Hause lassen und sie selbst hinbringen sollen. Audley murmelt: »Das hätten wir sicher tun können, aber denken Sie nicht, Master Sekretär, dass Sie selbst auch ziemlich Furcht einflößend sind?«
    Es erstaunt ihn, wie ungezwungen der Lordkanzler ist, als sie hinaus ins Freie treten. Die steinernen Tierköpfe am Landungssteg des Königs schwimmen im Wasser, genau wie ihre eigenen Umrisse, die Umrisse von Gentlemen, deren Form vom sich kräuselnden Wasser gebrochen wird, und das Spiegelbild der Königin, eine in einem Glas flackernde Flamme: um sie alle herum der Tanz des milden, nachmittäglichen Sonnenscheins und eine Flut Vogelgesang. Er hilft Anne in die Barke, weil Audley unwillig scheint, sie zu berühren, und sie vor Norfolk zurückschreckt; und als fischte sie die Gedanken aus seinem Kopf, flüstert sie: »Cremuel, Sie haben mir Wolsey nie vergeben.« Fitzwilliam wirft ihm einen Blick zu und murmelt etwas, das er nicht versteht. Fitz stand dem Kardinal sehr nahe, und vielleicht haben sie in diesem Moment denselben Gedanken: Jetzt erfährt Anne Boleyn, wie es ist, aus seinem Haus geworfen und auf den Fluss gebracht zu werden. Mit jedem Eintauchen der Ruder schwindet das Leben ein Stück mehr dahin.
    Norfolk setzt sich seiner Nichte gegenüber, unruhig schnaubend. »Sehen Sie? Jetzt sehen Sie es, Madam! Jetzt sehen Sie, wohin es führt, die eigene Familie zu verschmähen.«
    »Ich denke nicht, dass ›verschmähen‹ das richtige Wort ist«, sagt Audley. »Das kann man ihr kaum vorwerfen.«
    Er wirft Audley einen finsteren Blick zu. Er hat um Diskretion gebeten, was die Vorwürfe gegen Bruder George betrifft. Er will nicht, dass Anne anfängt, um sich zu schlagen, und jemanden aus der Barke wirft. Er zieht sich in sich selbst zurück. Betrachtet das Wasser. Eine Gruppe Hellebardiere sind ihre Eskorte, und er bewundert die fein gearbeiteten Klingen, das harte Schimmern auf den Barten. Aus waffentechnischem Blickwinkel sind Hellebarden überraschend günstig herzustellen. Aber wahrscheinlich sind sie als Kriegswaffen auch veraltet. Er denkt an Italien, das Schlachtfeld und das Zustoßen mit dem Spieß. Im Tower gibt es ein Pulverhaus, in das er gern geht, um mit den Sprengmeistern zu reden. Aber vielleicht ist das eine Aufgabe für einen anderen Tag.
    Anne sagt: »Wo ist Charles Brandon? Ich bin sicher, es tut ihm leid, das hier nicht miterleben zu können.«
    »Ich denke, er ist beim König«, sagt Audley, wendet sich ihm zu und flüstert: »Und vergiftet dessen Gedanken gegen Ihren Freund Wyatt. Da haben Sie Ihre Arbeit nicht getan, Master Sekretär.«
    Sein Blick ruht auf dem gegenüberliegenden Ufer. »Wyatt ist ein zu guter Mann, um ihn zu verlieren.«
    Der Lordkanzler schnieft. »Verse werden ihn nicht retten. Eher verdammen. Wir wissen, er schreibt in Rätseln, aber vielleicht hat der König das Gefühl, sie sind gelöst.«
    Er denkt das nicht. Da gibt es so feine Kodierungen, dass sich die Bedeutung in einer halben Zeile verändert, in einer Silbe, einer Pause, einer Zäsur. Er bildet sich etwas darauf ein, und wird das auch in Zukunft tun, keine Fragen gestellt zu haben, die Wyatt zum Lügen zwingen, wenn Wyatt

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