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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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rutscht auf seinem Stuhl hin und her, als müsste er sich vor jemandem rechtfertigen. Er nickt: Natürlich, Sir. Ob Norris tatsächlich wieder auf die Liste kam, kann er nicht sagen. Es war Nachmittag, als sich Richard Cromwell durch die Zuschauer auf der Empore drängte, vor dem König niederkniete und auf dessen Wort hin näher kam, um ihm seine Nachricht ins Ohr zu flüstern. »Er erklärte, wie der Musiker Mark festgenommen wurde«, sagt der König. »›Er hat alles gestanden‹, sagte Ihr Neffe. ›Was, freiwillig gestanden?‹, habe ich ihn gefragt. Ihr Neffe meinte, Sie hätten keine Gewalt angewandt. Kein Haar sei ihm gekrümmt worden.«
    Er denkt: Aber ich werde die Pfauenflügel verbrennen müssen.
    »Und dann …«, sagt der König. Er scheut einen Moment wie Norris’ Pferd: und verstummt.
    Er wird nicht fortfahren. Aber er, Cromwell, weiß bereits, was geschehen ist. Nachdem er Richards Erklärungen vernommen hatte, erhob sich der König von seinem Platz. Seine Bediensteten sammelten sich um ihn. Er winkte einem Pagen: »Spüre Henry Norris auf und sage ihm, er soll nach Whitehall kommen. Ich möchte seine Gesellschaft.«
    Eine Erklärung gab er nicht. Er hielt sich nicht auf, redete nicht mit der Königin. Sondern ritt die Meilen zurück, Norris neben sich: Norris verwirrt, Norris erstaunt, Norris vor Angst beinahe aus dem Sattel rutschend. »Ich habe ihn damit konfrontiert«, sagt Henry. »Mit dem Geständnis des jungen Mark. Er wollte nichts sagen, nur dass er unschuldig sei.« Wieder das flache, verächtliche kleine Lachen. »Doch dann hat ihn der Master Kämmerer befragt, und Norris gab es zu, er sagte, er hat sie geliebt. Aber als Fitz ihm vorwarf, dass er ein Ehebrecher sei und meinen Tod wolle, um sie heiraten zu können, da sagte er Nein, nein, nein. Befragen Sie ihn, Cromwell, und wenn Sie es tun, erklären Sie ihm noch einmal, was ich ihm unterwegs schon gesagt habe: Es kann Gnade geben. Vielleicht gibt es Gnade, wenn er gesteht und die anderen nennt.«
    »Wir haben Namen von Mark Smeaton.«
    »Dem traue ich nicht«, sagt Henry verächtlich. »Ich traue keinem kleinen Fiedler, wenn es um die Leben von Männern geht, die ich einmal meine Freunde genannt habe. Ich erwarte eine Bestätigung seiner Geschichte. Wir werden sehen, was die Lady sagt, wenn sie festgenommen wird.«
    »Die Geständnisse der Männer werden ausreichen, Sir. Sie wissen, wer verdächtigt wird. Lassen Sie mich alle in Gewahrsam nehmen.«
    Henry ist mit den Gedanken bereits einen Schritt weiter. »Cromwell, was bedeutet es, wenn eine Frau sich im Bett hierhin und dorthin dreht? Sich anbietet, so und so? Was ist da in ihrem Kopf, dass sie so etwas tut?«
    Es gibt nur eine Antwort. Erfahrung, Sir. Mit männlichem Verlangen und ihrem eigenen. Er muss es nicht sagen.
    »Eine Weise dient der Zeugung von Kindern«, sagt Henry. »Der Mann liegt auf ihr. Die heilige Kirche billigt das, an den erlaubten Tagen. Einige Kirchenmänner sagen, obwohl es schändlich ist, wenn ein Bruder mit einer Schwester kopuliert, ist es doch noch schändlicher, wenn sich die Frau auf den Mann setzt oder sich der Mann ihr wie einer Hündin nähert. Wegen dieser Praktiken und anderer, die ich nicht nennen will, wurde Sodom zerstört. Ich fürchte, dass alle Christenmänner und Christenfrauen, die solchen Lastern hörig sind, einen Richterspruch heraufbeschwören. Was sagen Sie? Wo sollte eine Frau, die nicht in einem Hurenhaus großgezogen wurde, Kenntnis von solchen Dingen erlangen?«
    »Frauen reden untereinander«, sagt er. »Genau wie Männer.«
    »Aber eine nüchterne, gottesfürchtige Frau, deren einzige Pflicht darin besteht, Kinder zu bekommen?«
    »Ich nehme an, sie will das Interesse ihres guten Mannes reizen, Sir, damit er sich nicht zum Paris Garden oder an andere schlecht beleumundete Orte wagt. Wenn sie, sagen wir, schon lange verheiratet sind.«
    »Aber drei Jahre? Ist das lange?«
    »Nein, Sir.«
    »Es sind nicht mal drei.« Einen Moment lang hat der König vergessen, dass wir nicht über ihn, sondern einen fiktiven gottesfürchtigen Engländer reden, einen Förster oder Ackersmann. »Woher bekommt sie solche Ideen?«, fragt er wieder. »Wie kann sie wissen, dass es einem Mann gefällt?«
    Er schluckt die naheliegende Antwort hinunter: Vielleicht hat sie mit ihrer Schwester gesprochen, die zuerst in Ihrem Bett lag. Denn der König ist bereits wieder bei dem stumpffingrigen Bauern und seiner Schürze und Haube tragenden Frau auf dem Land:

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