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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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bevor die Luft rein ist. Gehen Sie zu ihr, Cromwell. Bringen Sie ihr ein Pfand von mir.« Er holt ein winziges, juwelenbesetztes Buch zwischen seinen Papieren hervor: wie es Frauen in ihrem Mieder tragen, an einer goldenen Kette. »Es hat meiner Frau gehört«, sagt er. Er unterbricht sich und wendet voller Scham den Blick ab. »Ich meine, es war Katherines.«
    Er will sich nicht die Zeit nehmen, hinunter zu Carews Haus in Surrey zu reiten, doch es scheint, als müsste er. Es ist ein wohlproportioniertes Haus, das vor etwa dreißig Jahren erbaut wurde. Er war einmal dort, damals, mit dem Kardinal. Die große Eingangshalle ist besonders prächtig und oft schon von Gentlemen beim Bau ihrer eigenen Häuser kopiert worden. Es sieht so aus, als hätte Carew Italiener kommen lassen, um den Garten neu anzulegen. Die Gärtner ziehen ihre Strohhüte vor ihm, und die Wege erstrahlen in frühsommerlicher Herrlichkeit. In einer Voliere zwitschern Vögel. Das Gras ist kurz geschoren und dicht wie Samtflor. Nymphen betrachten ihn mit steinernen Augen.
    Jetzt, da sich alles zu einer Seite neigt und nur zu einer Seite, beginnen die Seymours, Jane zu lehren, eine Königin zu sein. »Diese Art, wie du mit Türen umgehst«, sagt Edward Seymour. Jane sieht flüchtig zu ihm hin. »Wie du sie hältst und dich um sie herumschiebst.«
    »Du hast mir gesagt, ich soll diskret sein.« Jane senkt den Blick, um ihm zu zeigen, was Diskretion bedeutet.
    »Gehe aus dem Zimmer«, sagt Edward. »Und komme wieder herein. Wie eine Königin, Jane.«
    Jane schleicht hinaus. Die Tür knarzt hinter ihr. Während der Unterbrechung sehen sie sich an. Die Tür schwingt auf. Es entsteht eine lange Pause – eine, die man sich durchaus als königliche Pause vorstellen könnte. Die Tür bleibt leer. Dann erscheint Jane, schiebt sich langsam um die Füllung herum. »Ist es besser so?«
    »Wissen Sie, was ich denke?«, sagt er. »Ich denke, dass Jane sich von jetzt an die Türen nicht mehr selbst aufmachen muss, also macht es nichts.«
    »Was ich glaube, ist«, sagt Edward, »dass diese Bescheidenheit langweilig werden könnte. Sieh her, Jane. Ich möchte dein Gesicht sehen.«
    »Aber weshalb glaubst du«, murmelt Jane, »dass ich deines sehen will?«
    Alle haben sich in der Halle versammelt. Die beiden Brüder, der besonnene Edward und der hastige Tom. Der werte Sir John, der alte Bock. Lady Margery, die zu ihrer Zeit als Schönheit bekannt war und John Skelton dazu inspirierte, sie »harmlos, höflich und bescheiden« zu nennen. Die Bescheidenheit ist heute nicht erkennbar: Sie wirkt verbissen siegestrunken, wie eine Frau, die dem Leben endlich den Erfolg abgepresst hat, auf den sie fast sechzig Jahre lang gewartet hat.
    Bess Seymour, die verwitwete Schwester, kommt hereingeschwebt. Sie trägt ein in Leinen gewickeltes Päckchen in Händen. »Master Sekretär«, sagt sie ehrerbietig. Zu ihrem Bruder sagt sie: »Hier, Tom, halte das mal. Setz dich, Schwester.«
    Jane setzt sich auf einen Hocker. Du erwartest, dass ihr jemand eine Tafel gibt und sie mit dem ABC beginnt. »Also«, sagt Bess, »herunter damit.« Einen Moment lang hat es den Anschein, sie wolle ihre Schwester angreifen: Energisch zieht sie ihr mit beiden Händen den halbmondförmigen Kopfputz herunter, rafft den Schleier und stopft das Ganze in die wartenden Hände ihrer Mutter.
    Jane wirkt in ihrer weißen Kalotte nackt und gequält, ihr Gesicht ist so schmal und blass wie ein Gesicht auf einem Krankenbett. »Das weiße Ding auch, und noch einmal von vorn«, befiehlt Bess. Sie zieht am verknoteten Band unter dem Kinn ihrer Schwester. »Was hast du damit gemacht, Jane? Das sieht ja aus, als hättest du daran gelutscht.« Lady Margery kommt mit ihrer Stickschere. Mit einem Schnitt ist Jane befreit, und ihre Schwester nimmt ihr die Unterhaube vom Kopf. Janes bleiches Haar, ein dünnes, helles Band, fällt ihr über die Schulter. Sir John macht »Ähäm« und sieht weg, der alte Heuchler: als hätte er etwas gesehen, das jenseits des männlichen Aufgabenbereichs liegt. Das Haar genießt einen Augenblick der Freiheit, bevor Lady Margery danach greift und es sich gefühllos um die Hand wickelt, als wäre es ein Bund Wollfäden. Jane legt die Stirn in Falten, als ihre Mutter ihr das Haar vom Nacken hoch um den Kopf wickelt und unter eine neuere, steifere Kalotte stopft. »Die stecken wir fest«, sagt Bess, ganz vertieft in ihre Arbeit. »Das ist eleganter, wenn es dich nicht stört.«
    »Ich habe diese

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