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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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zu Ihren Leuten.« Der König betupft sich das Gesicht mit einem Taschentuch. »Ich bin zu müde, um heute Abend noch zu beichten, Mylord Erzbischof. Sie dürfen gleichfalls nach Hause gehen. Aber Sie kommen wieder und erteilen mir die Absolution.«
    Das scheint ein tröstender Gedanke. Cranmer zögert: Aber er ist nicht der Mann, der nach Geheimnissen drängt. Als sie den Raum verlassen, greift Henry nach seinem kleinen Buch. Versunken blättert er durch die Seiten und setzt sich, um seine eigene Geschichte zu lesen.
    Vor den Gemächern des Königs macht er eine Geste zu den wartenden Gentlemen hin. »Gehen Sie hinein und sehen Sie, ob er etwas möchte.« Langsam, widerstrebend schleichen die Kammerdiener in Henrys Höhle: unsicher, ob sie willkommen sind, unsicher in jeder Hinsicht. Zeitvertreib in guter Gesellschaft: aber wo ist die Gesellschaft? Sie drückt sich mit dem Rücken gegen die Wand.
    Er verabschiedet sich von Cranmer, indem er ihn umarmt und ihm zuflüstert: »Alles wird sich zum Guten wenden.« Der junge Richmond berührt seinen Arm. »Master Sekretär, es gibt da etwas, das ich Ihnen erzählen muss.«
    Er ist müde. Er ist bei Tagesanbruch aufgestanden und hat Briefe nach Europa geschrieben. »Ist es dringend, Mylord?«
    »Nein. Aber es ist wichtig.«
    Man stelle sich dergleichen vor: einen Master zu haben, der den Unterschied kennt. »Also los, Mylord, ich bin ganz Ohr.«
    »Ich will Ihnen sagen, dass ich jetzt eine Frau hatte.«
    »Ich hoffe, sie war all das, was Sie sich gewünscht haben.«
    Der Junge lacht unsicher. »Nicht ganz. Es war eine Hure. Mein Bruder Surrey hat es für mich arrangiert.« Norfolks Sohn, meint er. Im Schein einer Wandleuchte flackert das Gesicht des Jungen auf: Gold wird zu Schwarz und wieder zu kreuzgeripptem Gold. Als würde er in Schatten getaucht. »Aber wenn das auch so ist, bin ich jetzt doch ein Mann und denke, Norfolk sollte mich mit meiner Frau zusammenleben lassen.«
    Richmond ist bereits verheiratet worden, mit Norfolks Tochter, der kleinen Mary Howard. Aus Berechnung hat Norfolk die Kinder bisher getrennt gehalten. Hätte Anne Henry einen ehelichen Sohn geschenkt, hätte der uneheliche Junge für Norfolk an Wert verloren, und es wäre womöglich nützlicher für ihn gewesen, so die Überlegung, seine noch jungfräuliche Tochter mit einem anderen zu verheiraten.
    Aber diese Überlegungen haben, jedenfalls im Moment, keine Grundlage mehr. »Ich werde mit dem Herzog reden«, sagt er. »Ich glaube, er wird begierig darauf sein, Ihren Wünschen zu entsprechen.«
    Richmond wird rot: vor Freude, vor Verzweiflung? Der Junge ist kein Narr und kennt seine Situation, die sich in wenigen Tagen über alle Maßen verbessert hat. Er, Cromwell, kann Norfolks Stimme so deutlich hören, als redete er im Rat des Königs: Katherines Tochter ist bereits zum Bastard gemacht worden, Annes Tochter wird folgen, und damit sind alle drei Kinder Henrys unehelich. Wenn das so ist, warum dann nicht das männliche den weiblichen vorziehen?
    »Master Sekretär«, sagt der Junge, »die Bediensteten in meinem Haus sagen, dass Elizabeth nicht mal das Kind der Königin ist. Sie sagen, es sei in einem Korb ins Schlafzimmer geschmuggelt und das tote Kind der Königin hinausgebracht worden.«
    »Warum hätte sie das tun sollen?« Es interessiert ihn immer, wie das Personal argumentiert.
    »Weil sie, um Königin zu werden, einen Handel mit dem Teufel geschlossen hat. Aber der Teufel betrügt alle. Er hat sie Königin werden lassen, es ihr aber versagt, ein lebendes Kind auf die Welt zu bringen.«
    »Da sollte man allerdings denken, dass der Teufel ihren Verstand geschärft hätte. Wenn sie sich ein Baby in einem Korb hätte bringen lassen, dann doch sicher einen Jungen?«
    Richmond gelingt ein klägliches Lächeln. »Vielleicht war es das einzige Baby, das sie bekommen konnte. Schließlich lassen die Leute ihre Kinder nicht einfach so auf der Straße zurück.«
    Doch, das tun sie. Er wird einen Gesetzentwurf ins neue Parlament einbringen, für die Waisenjungen von London. Sein Gedanke ist, kümmere dich um die Waisenjungen, und sie werden sich um die Mädchen kümmern.
    »Manchmal«, sagt der Junge, »muss ich an den Kardinal denken. Denken Sie noch an ihn?« Er lässt sich auf eine Truhe sinken, und er, Cromwell, setzt sich neben ihn. »Als ich sehr klein war und so verrückt, wie Kinder nun mal sind, dachte ich, der Kardinal wäre mein Vater.«
    »Der Kardinal war Ihr Pate.«
    »Ja, aber ich dachte

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