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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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»Über ihre Natur. Wie schlimm sie sich mir gegenüber verhalten hat, während ich ihr alles gegeben habe. Alle Männer sollten es lesen und davor gewarnt sein, wie die Frauen sind. Ihr Begehren ist grenzenlos. Ich glaube, sie hat mit hundert Männern Ehebruch begangen.«
    Henry sieht einen Moment lang wie eine gejagte Kreatur aus: gejagt vom Verlangen der Frauen, in die Tiefe gezerrt und zerfetzt. »Aber ihr Bruder?«, sagt Cranmer. Er wendet sich ab. Er will den König nicht ansehen. »Kann das sein?«
    »Ich bezweifle, dass sie ihm widerstehen konnte«, sagt Henry. »Warum etwas auslassen? Warum den Becher nicht bis zur schmutzigen Neige leeren? Und während sie ihrem Verlangen nachgab, tötete sie meines. Wenn ich mich ihr näherte, nur um meine Pflicht zu tun, schenkte sie mir einen Blick, der jeden Mann abgeschreckt hätte. Ich weiß jetzt, warum sie das tat. Sie wollte frisch sein für ihre Liebhaber.«
    Der König setzt sich. Er redet, lässt die Gedanken schweifen. Anne hat ihn bei der Hand genommen, vor diesen mehr als zehn Jahren. Sie hat ihn in den Wald geführt, und an dessen Rand, wo das helle Licht des Tages splittert und zu Grün gefiltert wird, hat er seine Urteilskraft zurückgelassen, seine Unschuld. Den ganzen Tag lang hat sie ihn weitergezogen, bis er vor Erschöpfung zitterte, aber er durfte nicht innehalten, um Atem zu schöpfen, konnte nicht zurück, er war vom Weg abgekommen. Den ganzen Tag lang folgte er ihr, bis das Licht verblich, und dann folgte er ihr im Licht von Fackeln: Und sie drehte sich zu ihm um, erstickte die Fackeln und ließ ihn allein im Dunkeln zurück.

Die Tür öffnet sich leise: Er hebt den Blick und sieht, es ist Rafe, während es früher vielleicht Weston gewesen wäre. »Majestät, der Mylord von Richmond ist hier, um Ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Darf er hereinkommen?«
    Henry bricht ab. »Fitzroy? Natürlich.«
    Henrys Bastard ist ein Prinzchen von sechzehn Jahren, obwohl ihn seine zarte Haut und der offene Blick jünger erscheinen lassen. Er hat das rotgoldene Haar der Linie König Edwards  IV ., und er sieht Prinz Arthur, Henrys verstorbenem älteren Bruder, ähnlich. Der Junge wirkt zögerlich vor diesem Bullen von einem Vater, könnte es doch sein, dass er unerwünscht ist. Aber Henry steht auf und umarmt den Jungen, das Gesicht tränennass. »Mein kleiner Sohn«, sagt er zu dem Kind, das bald einen Meter achtzig groß sein wird. »Mein einziger Sohn.« Der König weint so sehr, dass er sich das Gesicht mit dem Ärmel trocknen muss. »Sie hätte dich vergiftet«, stöhnt er. »Gott sei Dank hat der schlaue Sekretär den Plan rechtzeitig aufgedeckt.«
    »Danke, Master Sekretär«, sagt der Junge förmlich. »Dafür, dass Sie den Plan aufgedeckt haben.«
    »Dich und deine Schwester Mary hätte sie vergiftet, euch beide, um diesen Klecks, den sie abgesondert hat, zur Erbin Englands zu machen. Oder mein Thron wäre an den übergegangen, den sie als Nächstes geworfen hätte, Gott stehe mir bei, hätte er überlebt. Allerdings bezweifle ich, dass ein Kind von ihr überleben könnte. Sie war zu boshaft. Gott hat sie verlassen. Bete für deinen Vater, bete dafür, dass Gott mich nicht verlässt. Ich habe gesündigt, ich muss gesündigt haben. Die Ehe war nicht rechtens.«
    »Was, nicht rechtens?«, sagt der Junge. »Die jetzt auch nicht?«
    »Nicht rechtens und mit einem Fluch belegt.« Henry wiegt den Jungen vor und zurück. Fest hält er ihn umschlungen, die Fäuste hinter seinem Rücken geballt: So mag ein Bär sein Junges an sich drücken. »Die Ehe war außerhalb von Gottes Gesetz. Nichts hätte sie rechtmäßig machen können. Beide waren nicht meine Frauen, nicht diese und nicht die andere, die Gott sei Dank in ihrem Grab liegt. So muss ich mir nicht ihr Schnaufen, Beten, Flehen und die ewige Einmischerei anhören. Sagt mir nicht, es gab Dispense, ich will es nicht hören, kein Papst kann einen Dispens vom Gesetz des Himmels aussprechen. Wie ist sie mir je so nahe gekommen, diese Anne Boleyn? Warum habe ich sie angesehen? Warum hat sie meine Augen erblinden lassen? Es gibt so viele Frauen auf der Welt, so viele frische, junge, tugendsame Frauen, so viele gute, gütige Frauen. Warum bin ich mit zweien gestraft worden, die sich ihre Kinder im eigenen Leib zerstört haben?«
    Er lässt den Jungen so abrupt los, dass er ins Wanken gerät.
    Henry schnieft. »Geh jetzt, Kind. In dein unschuldiges Bett. Und Sie, Master Sekretär, gehen Sie in Ihres … zurück

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