Falken: Roman (German Edition)
aufgefordert, eine Aussage zu allem machen, worum ich Sie bitte.«
Er könnte schwören, dass Francis Gascogner Wein schwitzt. Seine Poren dünsten das schimmelige, schlimme Zeugs aus, das er sich billig verschafft und teuer in den Keller des Königs verkauft.
»Hören Sie, Crumb«, sagt Bryan. »Was ich weiß, ist, dass sich Norris immer ausgemalt hat, mit ihr zu brunften.«
»Und ihr Bruder, was hat der sich ausgemalt?«
Bryan zuckt mit den Schultern. »Sie haben sie nach Frankreich geschickt, und die beiden haben sich erst kennengelernt, als sie erwachsen waren. Ich wusste immer schon, dass es so etwas gibt, Sie nicht?«
»Nein, das kann ich nicht sagen. Wo ich aufgewachsen bin, hatten wir für Inzest nichts übrig. Gott weiß, da gab es genug Verbrechen und Sünde, aber doch auch Orte, bis zu denen unsere Fantasie nicht reichte.«
»In Italien müssen Sie derlei doch begegnet sein, darauf wette ich. Es ist nur, dass die Leute sich oft nicht recht trauen, es zu benennen.«
»Ich traue mich, alles beim Namen zu nennen«, sagt er ruhig. »Wie Sie sehen werden. Meine Vorstellungskraft mag den täglich neuen Enthüllungen hinterherhinken, doch ich gebe mir Mühe, zu ihnen aufzuschließen.«
»Jetzt, wo sie nicht mehr die Königin ist«, sagt Bryan, »denn das ist sie nicht mehr, oder? Jetzt kann ich aussprechen, was sie ist, nämlich ein heißes Luder, und wo hat sie bessere Möglichkeiten als in der eigenen Familie?«
Er sagt: »Wenn ich dem folge, glauben Sie dann, dass sie es auch mit Onkel Norfolk treibt? Selbst Sie könnten dabei sein, Sir Francis. Wenn sie eine Schwäche für ihre Verwandten hat. Sie sind ein großer Galan.«
»Herrgott«, sagt Bryan. »Cromwell, das würden Sie nicht tun.«
»Ich erwähne es nur. Aber da wir in der Sache einer Meinung sind oder es wenigstens zu sein scheinen, würden Sie mir da einen Dienst erweisen? Könnten Sie hinüber nach Great Hallingbury reiten und meinen Freund Lord Morley auf das Kommende vorbereiten? So etwas lässt sich kaum in einem Brief mitteilen, und schon gar nicht einem bereits so betagten Freund.«
»Sie denken, es geht besser von Angesicht zu Angesicht?« Ein ungläubiges Lachen. »›Mylord‹, werde ich sagen, ›ich bin hier, um Ihnen einen Schock zu ersparen: Ihre Tochter Jane wird bald Witwe sein, weil ihr Mann wegen Inzests enthauptet werden soll.‹«
»Das Thema Inzest überlassen wir den Priestern. Er wird wegen Hochverrats sterben. Und wir wissen nicht, ob sich der König für eine Enthauptung entscheidet.«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann.«
»Aber ich glaube es. Ich setze großes Vertrauen in Sie. Sehen Sie es als diplomatische Mission, da haben Sie Erfahrung und schon einiges erledigt. Wenn ich mich auch frage, wie.«
»Nüchtern«, sagt Francis Bryan, »aber bei dieser Sache brauche ich einen Schluck. Sie wissen, ich fürchte mich vor Lord Morley. Jedes Mal zieht er irgendein uraltes Manuskript hervor, sagt ›Sehen Sie doch, Francis!‹ und lacht von ganzem Herzen über die Witze darin. Und Sie kennen mein Latein, jeder Schuljunge würde sich dafür schämen.«
»Reden Sie nicht«, sagt er. »Satteln Sie Ihr Pferd. Aber erweisen Sie mir, bevor Sie nach Essex aufbrechen, noch einen anderen Dienst. Besuchen Sie Ihren Freund Nicholas Carew. Sagen Sie ihm, ich folge seinen Wünschen und werde mit Wyatt sprechen. Aber warnen Sie ihn: Er soll mich nicht drängen, weil ich mich nicht drängen lasse. Erinnern Sie ihn daran, dass es noch mehr Verhaftungen geben könnte; von wem, kann ich nicht sagen. Oder besser, falls ich es kann, will ich es nicht. Verstehen Sie das, und sorgen Sie dafür, dass es auch Ihre Freunde verstehen. Ich brauche freie Hand. Ich bin kein Laufbursche.«
»Bin ich frei und kann gehen?«
»Frei wie die Luft«, sagt er ausdruckslos. »Aber was ist mit dem Essen?«
»Essen Sie meine Portion für mich mit«, sagt Francis.
Obwohl es im Gemach des Königs dunkel ist, sagt Henry: »Wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen. Ich glaube, mich trifft eine Schuld, da ich meinem Verdacht nicht Ausdruck gegeben habe.«
Henry sieht Cranmer an, als wollte er sagen: Jetzt sind Sie an der Reihe. Ich habe meinen Fehler zugegeben, also erteilen Sie mir die Absolution. Der Erzbischof wirkt gequält. Er weiß nicht, was Henry als Nächstes sagen wird oder ob er sich trauen kann, ihm zu antworten. Das ist kein Abend, auf den Cambridge ihn vorbereitet hat. »Sie waren nicht nachlässig«, erklärt er dem König und wirft
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