Falken: Roman (German Edition)
»Ihr ganzer Vorwurf stützt sich auf einzelne Worte, die man auf vielerlei Weise deuten kann. Wenn Sie Beweise für einen Ehebruch finden wollen, Cromwell, müssen Sie schon noch eins drauflegen.«
»Oh, ich weiß nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass es da sehr selten Zeugen gibt. Aber wir ziehen die Umstände in Betracht, die Gelegenheiten und geäußerten Wünsche, wir betrachten wichtige Wahrscheinlichkeiten und natürlich Geständnisse.«
»Sie bekommen weder ein Geständnis von mir noch von Brereton.«
»Das frage ich mich.«
»Sie werden Gentlemen nicht der Folter unterziehen, das würde der König nicht zulassen.«
»Dafür brauche ich keine offiziellen Arrangements.« Er ist aufgestanden und schlägt mit der Hand auf den Tisch. »Ich könnte Ihnen meine Daumen in die Augen drücken, und Sie würden ›Green Grows the Holly‹ singen, wenn ich es wollte.« Er setzt sich und nimmt seinen ursprünglichen, ungezwungenen Ton wieder auf. »Versetzen Sie sich in meine Lage. Die Leute werden sowieso sagen, dass ich mit Folter arbeite. Sie streuen bereits aus, dass ich Mark gefoltert hätte, obwohl wir ihm kein Härchen gekrümmt haben, das schwöre ich. Ich habe Marks freiwilliges Geständnis. Und er hat Namen genannt. Einige davon haben mich überrascht, doch ich wusste mich zu fassen.«
»Sie lügen.« Norris wendet den Blick ab. »Sie versuchen uns hereinzulegen, damit wir uns gegenseitig beschuldigen, der eine den anderen.«
»Der König weiß, was er denken soll. Er will keine Augenzeugen. Er weiß um Ihren Verrat und den der Königin.«
»Fragen Sie sich selbst«, sagt Norris, »wie wahrscheinlich es ist, dass ich meine Ehre so gänzlich vergesse, den König betrüge, der so gut zu mir ist, und die Lady, die ich so verehre, in so schreckliche Gefahr bringe? Meine Familie dient dem König von England seit undenklichen Zeiten: mein Urgroßvater diente Henry VI ., dem heiligen Mann – Gott habe ihn selig –, mein Großvater diente König Edward, und es wäre mit seinem Sohn weitergegangen, hätte der seine Regentschaft erlebt. Und nachdem mein Großvater von Richard Plantagenet, dem Skorpion, aus dem Reich vertrieben worden war, diente er Henry Tudor im Exil, bis der zum König gekrönt wurde. Ich selbst bin seit meiner Kindheit an Henrys Seite. Ich liebe ihn wie einen Bruder. Haben Sie einen Bruder, Cromwell?«
»Keinen, der noch lebt.« Verärgert sieht er Norris an, der zu glauben scheint, er könne mit Eloquenz, Aufrichtigkeit und Offenheit ändern, was geschieht. Der ganze Hof hat gesehen, wie er der Königin sabbernd hinterhergelaufen ist. Wie konnte er erwarten, mit den Augen einkaufen gehen zu können, die Ware zu befingern und am Ende keine Rechnung dafür begleichen zu müssen?
Er steht auf, geht davon, dreht sich um und schüttelt den Kopf: Er seufzt. »Herrgott noch mal, Harry Norris. Muss ich es Ihnen an die Wand schreiben? Der König muss sie loswerden. Sie vermag ihm keinen Sohn zu schenken, und er liebt sie nicht mehr. Er liebt eine andere Lady, und die kann er nur haben, wenn Anne nicht mehr da ist. Ist das so einfach genug für Ihren einfachen Geschmack? Anne will nicht friedlich gehen, sie hat mich vor Langem schon davor gewarnt. Sie sagte: Wenn Henry mich ablegen will, gibt es Krieg. Wenn sie also nicht gehen will, muss sie gegangen werden, und das ist meine Aufgabe, wer sonst soll es tun? Begreifen Sie die Situation? Wollen Sie sich erinnern? In einem ähnlichen Fall konnte mein alter Master Wolsey den König nicht befriedigen, und was geschah mit ihm? Er fiel in Ungnade und wurde in den Tod getrieben. Ich habe vor, von ihm zu lernen, und ich will, dass der König in jeder Hinsicht befriedigt ist. Im Moment ist er ein sich elend fühlender Hahnrei, aber das wird er vergessen, wenn er erst wieder ein Bräutigam ist, und das wird nicht lange dauern.«
»Ich nehme an, die Seymours haben die Hochzeitstafel schon gedeckt.«
Er grinst. »Tom Seymour lässt sich das Haar in Locken legen. Und am Hochzeitstag wird der König glücklich sein, ich werde glücklich sein, ganz England wird glücklich sein, nur Norris nicht, denn ich fürchte, da ist er tot. Ich sehe keinen Ausweg, es sei denn, Sie gestehen und unterwerfen sich der Gnade des Königs. Er hat Gnade versprochen. Und er hält seine Versprechen. Meistens.«
»Ich bin mit ihm von Greenwich hergeritten«, sagt Norris, »nach dem Turnier, die ganze lange Strecke. Ohne Unterlass hat er mir zugesetzt: Was haben Sie getan?
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