Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
… weil er so liebevoll zu mir war. Er hat mich besucht und auf den Arm genommen, und obwohl er mir wunderbare Geschenke aus Gold machte, bekam ich auch einen seidenen Ball und eine Puppe, wie Jungen sie mögen, wissen Sie …«, er senkt den Kopf, »wenn sie noch kleine Kinder sind, und ich spreche von der Zeit, als ich noch in einem Kleidchen steckte. Ich wusste, es gab ein Geheimnis um mich, und ich dachte, dass es das war: dass ich der Sohn eines Priesters wäre. Der König war ein Fremder für mich. Er schenkte mir ein Schwert.«
    »Und haben Sie da nicht gedacht, dass er Ihr Vater ist?«
    »Nein«, sagt der Junge. Er öffnet die Hände, um seiner Hilflosigkeit Ausdruck zu geben, seiner Hilflosigkeit als kleines Kind. »Nein. Sie mussten es mir erklären. Erzählen Sie es bitte nicht. Er würde es nicht verstehen.«
    Es wäre ein Schock für den König, größer als alle bisher da gewesenen, zu erfahren, dass sein Sohn in ihm nicht seinen Vater gesehen hat. »Hat er noch viele andere Kinder?«, fragt Richmond. Mittlerweile spricht er mit der Autorität eines Mannes von Welt. »Ich nehme an, das muss er.«
    »Meines Wissens hat er kein Kind, das Ihrem Anspruch schaden könnte. Es heißt, Mary Boleyns Sohn ist von ihm, doch die war zu der Zeit verheiratet, und der Junge bekam den Namen ihres Mannes.«
    »Aber ich denke, er wird Mistress Seymour heiraten, wenn diese Ehe jetzt«, der Junge stolpert über seine Worte, »wenn was immer geschehen wird … wenn es geschieht. Und vielleicht wird sie einen Sohn bekommen, denn die Seymours sind eine fruchtbare Familie.«
    »Wenn das geschieht«, sagt er sanft, »müssen Sie dem König als Erster gratulieren. Und Sie müssen Ihr Leben lang bereit sein, dem kleinen Prinzen zu Diensten zu sein. Aber zu Ihrer für Sie dringlicheren Frage: wenn ich Ihnen da einen Rat geben darf … Sollte das Zusammenleben mit Ihrer Ehefrau noch weiter hinausgeschoben werden, ist es das Beste, Sie suchen sich eine liebe, saubere junge Frau und treffen ein Arrangement mit ihr. Wenn Sie sich später von ihr trennen, zahlen Sie ihr eine kleine Summe, damit sie nicht über Sie redet.«
    »Machen Sie das so, Master Sekretär?« Die Frage klingt unschuldig, und doch fragt er sich einen Moment lang, ob der Junge für jemanden spioniert.
    »Darüber spricht man unter Gentlemen besser nicht«, sagt er. »Streben Sie Ihrem Vater, dem König, nach, der niemals grob von Frauen spricht.« Brutal vielleicht, denkt er, aber nie grob. »Seien Sie umsichtig, und lassen Sie sich nicht mit Huren ein. Sie dürfen sich nicht mit einer Krankheit anstecken wie der französische König. Und wenn diese junge Frau Ihnen ein Kind schenkt, kommen Sie für es auf, wissen Sie doch, dass es Ihres und nicht das eines anderen Mannes ist.«
    »Aber Sie können sich nie sicher sein …« Richmond bricht ab. Sicher – die Wirklichkeit des Wortes kommt schnell über den jungen Mann. »Wenn der König getäuscht werden kann, kann auch jeder andere Mann getäuscht werden. Wenn verheiratete Ladies treulos sind, kann es jedem Gentleman passieren, das Kind eines anderen Mannes großzuziehen.«
    Er lächelt. »Aber ein anderer Gentleman kümmert sich dafür um seines.«
    Sobald er genug Zeit für die nötige Planung hat, hat er vor, mit einer Art Registrierung zu beginnen, einer Dokumentation, in der alle Taufen verzeichnet werden, sodass er die Untertanen des Königs zählen kann und weiß, wer sie sind, oder wenigstens, wer sie laut Aussage ihrer Mütter sind: Familienname und Vaterschaft sind zwei verschiedene Dinge, doch irgendwo muss man anfangen. Er betrachtet die Gesichter der Londoner, während er durch die Stadt reitet, denkt an die Straßen in anderen Städten, in denen er gelebt hat oder durch die er gekommen ist, und überlegt. Ich könnte mehr Kinder brauchen, denkt er. Er war so enthaltsam in seinem Leben, wie es für einen Mann vernünftig ist, und trotzdem hat der Kardinal immer wieder Skandale über ihn und seine vielen Konkubinen erfunden. Wann immer ein kräftiger junger Verbrecher zum Galgen gezogen wurde, sagte der Kardinal: »Sehen Sie, Thomas, das muss einer von Ihren sein.«
    Der Junge gähnt. »Ich bin so müde«, sagt er. »Dabei war ich heute gar nicht jagen.«
    Richmonds Bedienstete sehen zu ihnen her: ihr Symbol ein aufgerichteter Halblöwe, ihre blau-gelbe Livree blass im schwindenden Licht. Wie Kindermädchen, die einen kleinen Kerl von schmutzigen Pfützen wegziehen, wollen sie den jungen Herzog von

Weitere Kostenlose Bücher