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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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einen fragenden, nadelspitzen Blick zu ihm, Cromwell, herüber. »In derlei Dingen sollte eine Anklage sicher nicht vor den Beweisen kommen.«
    »Sie dürfen nicht vergessen«, sagt er, Cromwell, zu Cranmer, freundlich, ungezwungen und voller Floskeln, »Sie dürfen nicht vergessen, dass nicht ich allein die Gentlemen befragt habe, die jetzt unter Anklage stehen, sondern dass es der ganze Rat getan hat. Und der Rat hat Sie gerufen, hat Ihnen die Sachlage erläutert, und Sie haben keine Einwände erhoben. Wie Sie selbst sagten, Mylord Erzbischof, wären wir in der Sache ohne ernsthafte Überlegung niemals so weit gegangen.«
    »Wenn ich zurückblicke«, sagt Henry, »fügt sich so vieles. Ich bin in die Irre geführt und betrogen worden. So viele Freunde habe ich verloren, Freunde und gute Bedienstete, entfremdet wurden sie mir, vom Hof entfernt. Und schlimmer noch … Ich denke an Wolsey. Die Frau, die ich meine Frau nannte, hat mit all ihrem Einfallsreichtum gegen ihn intrigiert, mit all ihrer List und ihrem Hass.«
    Welche Frau meint er jetzt? Sowohl Katherine als auch Anne haben gegen den Kardinal gearbeitet. »Ich weiß nicht, warum ich so hintergangen worden bin«, sagt Henry. »Aber hat nicht der heilige Augustinus die Ehe ein ›tödliches und sklavisches Gewand‹ genannt?«
    »Chrysostomus«, murmelt Cranmer.
    »Denken wir nicht länger daran«, sagt er, Cromwell, hastig. »Wenn diese Ehe aufgelöst ist, Majestät, wird das Parlament Sie bitten, wieder zu heiraten.«
    »Ich nehme an, dass es das tut. Wie sonst soll ein Mann seine Pflicht tun, seinem Reich und Gott gegenüber? Wir sündigen noch im Akt der Fortpflanzung selbst. Wir müssen Nachwuchs zeugen, ganz besonders Könige müssen das, und doch werden wir vor der Lust sogar in der Ehe gewarnt, und einige Autoritäten sagen, dass seine Frau übermäßig zu lieben eine Art Ehebruch ist, nicht wahr?«
    »Jerome«, flüstert Cranmer: als wollte er ihm am liebsten den Heiligentitel absprechen. »Aber es gibt viele andere Lehren, die angenehmer sind und den Stand der Ehe preisen.«
    »Rosen, von Dornen umgeben«, sagt er. »Die Kirche bietet dem verheirateten Mann nicht viel Trost, wenn Paulus auch sagt, wir sollen unsere Frauen lieben. Es ist schwer, Majestät, nicht zu glauben, dass die Ehe als solche sündig ist, behaupten die Zölibatären doch seit Jahrhunderten, dass sie besser sind als wir. Aber sie sind nicht besser. Die Wiederholung falscher Lehren lässt diese nicht wahr werden. Stimmen Sie mir zu, Cranmer?«
    Bringen Sie mich doch um, sagt das Gesicht des Erzbischofs. Gegen alle Gesetze von König und Kirche ist er ein verheirateter Mann. Er hat in Deutschland geheiratet, wo er zu den Reformern gehörte, und versteckt seine Frau Grete. Versteckt sie in seinen Landhäusern. Weiß Henry das? Er muss es wissen. Wird er es ansprechen? Nein, weil er so mit seiner eigenen Lage beschäftigt ist. »Ich kann nicht verstehen, warum ich sie gewollt habe«, sagt der König. »Deswegen denke ich, dass sie mich mit Amuletten und Zaubersprüchen gefangen haben muss. Sie behauptet, sie liebt mich. Katherine hat behauptet, sie liebt mich. Sie sagen Liebe und meinen das Gegenteil. Ich glaube, Anne hat versucht, mich in jeder Hinsicht zu unterminieren. Sie war immer unnatürlich. Denken Sie daran, wie sie ihren Onkel, Mylord Norfolk, verhöhnt hat. Denken Sie an die Verachtung für ihren Vater. Und sie hat sich angemaßt, auch mein Verhalten zu zensieren und mir ihren Rat in Dingen aufzudrängen, die weit über ihr Verständnis hinausgingen. Zudem hat sie mich mit Worten traktiert, die kein armer Mann freiwillig von seiner Frau hören will.«
    Cranmer sagt: »Sie war dreist, das stimmt. Aber sie wusste, es war ein Fehler, und hat versucht, sich Zügel anzulegen.«
    »Jetzt bekommt sie ihre Zügel, bei Gott.« Henrys Ton ist wütend, doch schon im nächsten Moment moduliert er ihn zur Klage des Opfers. Er öffnet sein Schreibpult aus Walnussholz. »Sehen Sie dieses kleine Buch?« Es ist nicht wirklich ein Buch, noch nicht, nur eine Sammlung loser, zusammengebundener Blätter. Es gibt kein Titelblatt, und die oberste Seite ist in Henrys eigener, schwerfälliger Schrift vollgeschrieben. »Es ist ein Buch im Entstehen. Ich schreibe es. Es ist ein Stück. Eine Tragödie. Meine eigene Geschichte.« Er hält es ihm hin.
    Er, Cromwell, sagt: »Behalten Sie es, Sir, bis wir mehr Zeit haben, ihm gerecht zu werden.«
    »Aber Sie sollten Bescheid wissen«, sagt der König.

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