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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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baumeln von der improvisierten Decke. Sein Nachbar sagt: »Das ist noch einer, den die Königin ruiniert hat. Ich nehme an, von manchen werden wir erst nach Jahren erfahren.«
    Es ist wahr. Der Prozess ist ein notdürftiges Arrangement, um Anne ab- und Jane einzusetzen. Die genauen Auswirkungen sind noch nicht klar, die Echos noch nicht zu hören, aber er rechnet mit einer Erschütterung des Staatskörpers, einem Rumoren im Magen des Gemeinwesens. Er steht auf und geht zu Norfolk, um ihn zu drängen, den Prozess wiederaufzunehmen. George Boleyn, gefangen zwischen Prozess und Verurteilung, sieht aus, als könnte er ebenfalls zusammenbrechen. Er weint. »Bringt Lord Rochford einen Stuhl«, sagt er. »Gebt ihm zu trinken.« George ist ein Verräter, aber immer noch ein Earl. Er kann sein Todesurteil auch im Sitzen empfangen.
    Am nächsten Tag, dem 16. Mai, ist er im Tower, in der Wohnung des Konstablers. Kingston macht sich Sorgen, weil er nicht weiß, was für eine Art Schafott er für die Königin errichten soll: Ihr Richterspruch ist zweifelhaft und wartet auf eine Aussage des Königs. Cranmer ist bei ihr, um ihr die Beichte abzunehmen, und er hat die Möglichkeit, sie vorsichtig darauf hinzuweisen, dass sie sich durch Kooperation Schmerzen ersparen kann. Der König trägt immer noch Gnade in sich.
    Ein Wachmann steckt den Kopf durch die Tür und spricht den Konstabler an: »Da ist ein Besucher. Nicht für Sie, Sir. Für Master Cromwell. Ein ausländischer Gentleman.«
    Es ist Jean de Dinteville, der etwa zur Zeit von Annes Krönung mit einer Mission im Land war. Jean bleibt in der Tür stehen: »Es hieß, ich könnte Sie hier finden, und da nicht viel Zeit bleibt …«
    »Mein lieber Freund.« Sie umarmen sich. »Ich wusste nicht, dass Sie in London sind.«
    »Ich komme direkt vom Schiff.«
    »Ja, so sehen Sie aus.«
    »Ich bin kein Seemann.« Der Botschafter zuckt mit den Schultern, oder wenigstens heben sich die mächtigen Polster und senken sich wieder. Der Mann ist an diesem milden Morgen in verblüffende Schichten gehüllt, so wie sich jemand anzieht, um dem November entgegenzutreten. »Auf jeden Fall scheint es besser, herzukommen und Sie hier abzufangen, bevor Sie wieder zu Hause sind und Bowls spielen, was Sie, wie ich höre, gern tun, wenn Sie eigentlich unsere Vertreter empfangen sollten. Man hat mich hergeschickt, um mit Ihnen über den jungen Weston zu sprechen.«
    Großer Gott, denkt er, hat es Sir Richard Weston geschafft, den König von Frankreich zu bestechen?
    »Da kommen Sie keinen Moment zu früh. Er soll morgen hingerichtet werden. Was ist mit ihm?«
    »Man ist unsicher«, sagt der Botschafter, »ob Galanterien bestraft werden sollten. Die Schuld des jungen Mannes besteht doch höchstens in einem oder zwei Gedichten? In Komplimenten und Späßen? Vielleicht könnte der König sein Leben verschonen. Man versteht, dass es ratsam wäre, wenn er sich für ein, zwei Jahre vom Hofe fernhielte, vielleicht auf Reisen ginge?«
    »Er hat eine Frau und einen Sohn, Monsieur. Nicht, dass er sich je durch einen Gedanken an sie hätte einengen lassen.«
    »Umso schlimmer, wenn der König ihn hinrichten ließe. Schätzt Henry seinen Ruf als gnädiger Fürst nicht?«
    »Oh, doch. Er spricht viel darüber. Monsieur, mein Rat ist, Weston zu vergessen. So sehr mein Master Ihren verehrt und achtet, wird er es nicht freundlich aufnehmen, wenn König François sich in etwas einmischt, das letztlich eine Familienangelegenheit ist, etwas, das ihm sehr nahegeht.«
    Dinteville ist amüsiert. »Man könnte es wahrlich eine Familienangelegenheit nennen.«
    »Ich stelle fest, dass Sie nicht um Gnade für Lord Rochford bitten. Er war Botschafter, und man sollte doch denken, der König von Frankreich würde sich eher für ihn interessieren.«
    »Nun ja«, sagt der Abgesandte. »George Boleyn. Man versteht, dass es einen Wechsel im Regime gibt, und was das nach sich zieht. Der ganze französische Hof hofft natürlich, dass der Monseigneur dem nicht zum Opfer fällt.«
    »Wiltshire? Er ist den Franzosen immer gut zu Diensten, ich verstehe, dass Sie ihn vermissen würden. Aber er ist im Moment nicht in Gefahr. Natürlich können Sie nicht mehr so auf seinen Einfluss bauen: ein Wechsel des Regimes, wie Sie sagen.«
    »Darf ich …« – der Abgesandte unterbricht sich, um einen Schluck Wein zu nehmen und eine Waffel zu essen, die Kingstons Dienerschaft gebracht hat – »darf ich sagen, dass wir in Frankreich diese ganze

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