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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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von mir unterschrieben haben will. Was immer er will, ich stimme zu. Er könnte mir erlauben, nach Frankreich in ein Kloster zu gehen. Will er, dass ich sage, ich war mit Harry Percy verheiratet? Ich sagte, Madam, der Earl streitet das ab, und sie lachte.«
    Er wirkt unsicher. Selbst die völlige Offenbarung, selbst ein vollständiges, detailliertes Schuldeingeständnis würde ihr nicht helfen, jetzt nicht mehr, wenn vor dem Prozess vielleicht auch noch Hoffnung bestanden hätte. Der König will nicht über ihre Liebhaber nachdenken, vergangene oder gegenwärtige. Er hat sie, zusammen mit ihr, aus seinen Gedanken gestrichen. Anne würde nicht glauben, wie gründlich Henry das getan hat. Gestern sagte er: »Ich hoffe, diese meine Arme werden bald Jane umfangen.«
    Cranmer sagt: »Sie kann sich nicht vorstellen, dass der König sie verlassen hat. Es ist noch keinen Monat her, dass er den Botschafter des Kaisers gezwungen hat, sich vor ihr zu verneigen.«
    »Ich glaube, das wollte er für sich, nicht für sie.«
    »Ich weiß nicht«, sagt Cranmer. »Ich dachte, er liebte sie. Ich dachte, es gäbe keine Entfremdung zwischen den beiden, bis ganz zuletzt. Mittlerweile muss ich jedoch glauben, dass ich nichts weiß. Nicht über Männer. Nicht über Frauen. Weder über meinen Glauben noch über den Glauben anderer. Sie hat mich gefragt: ›Komme ich in den Himmel? Weil ich viele gute Taten getan habe.‹«
    Das Gleiche hat sie Kingston gefragt. Vielleicht fragt sie es jeden.
    »Sie spricht von Taten« – Cranmer schüttelt den Kopf – »und sagt nichts über den Glauben. Ich hatte gehofft, sie versteht, so wie ich es jetzt verstehe, dass wir nicht durch unsere Taten, sondern allein durch das Opfer Christi gerettet werden, durch seine Verdienste, nicht durch unsere.«
    »Daraus sollten Sie nicht schließen, dass sie die ganze Zeit eine Papistin war. Was hätte ihr das genützt?«
    »Es tut mir leid für Sie, Cromwell«, sagt Cranmer. »Dass Sie die Verantwortung hatten, das alles aufzudecken.«
    »Ich wusste zu Beginn nicht, worauf ich stoßen würde. Das ist der einzige Grund, warum ich es konnte. Bei jeder neuen Wende war ich überrascht.« Er denkt an Marks Prahlerei, daran, wie die Gentlemen einander vor Gericht ausgewichen sind und es vermieden haben, sich anzusehen. Er hat Dinge über die menschliche Natur gelernt, von denen er keine Ahnung hatte. »Gardiner in Frankreich verlangt, die Einzelheiten zu erfahren, doch ich stelle fest, dass ich sie nicht aufschreiben will, sie sind zu abscheulich.«
    »Senken Sie einen Schleier darüber«, stimmt Cranmer ihm zu. Obwohl der König selbst vor den Einzelheiten nicht zurückschreckt, wie es scheint. Cranmer sagt: »Er trägt es mit sich herum, das Buch, das er schreibt. Neulich abends hat er es allen gezeigt, beim Bischof von Carlisle. Wussten Sie, dass das Haus des Bischofs Francis Bryan gehört? Bryan unterhielt gerade die ganze Gesellschaft, als der König sein Manuskript herausholte und anfing, laut daraus vorzulesen und es jedermann aufzudrängen. Der Kummer hat ihn aus der Bahn geworfen.«
    »Kein Zweifel«, sagt er. »Wie auch immer, Gardiner wird zufrieden sein. Ich habe ihm gesagt, er wird der Gewinner sein, wenn es ans Verteilen der Beute geht. Die Ämter, meine ich, und die Ruhegelder und Zahlungen, die zurück an den König gehen.«
    Cranmer hört ihm nicht zu. »Sie fragte mich: Wenn ich sterbe, soll ich dann nicht die Frau des Königs sein? Nein, Madam, habe ich ihr geantwortet, der König will die Ehe annulliert sehen, und ich bin hier, um Ihr Einverständnis einzuholen. Sie sagte: Ich bin einverstanden. Aber werde ich dennoch die Königin sein? Und ich glaube, nach dem Gesetz ist es so. Ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte. Aber sie sah zufrieden aus. Es kam mir so lange vor. Die Zeit, die ich bei ihr war. Gerade noch lacht sie, und schon betet sie und quält sich … Sie fragt mich nach Lady Worcester und dem Kind, das sie erwartet. Sie sagt, sie dachte, das Kind bewege sich nicht so, wie es sollte, wo die Lady doch etwa im fünften Monat ist, und sie denkt, es liegt daran, dass Lady Worcester erschrocken ist oder Mitleid mit ihr hat. Ich habe ihr nicht gesagt, dass Mylady eine Aussage gegen sie gemacht hat.«
    »Ich werde mich nach Myladys Gesundheit erkundigen«, sagt er, »aber nicht nach der des Earls. Er hat mich angeblitzt, und ich weiß nicht, warum.«
    Verschiedene Ausdrücke lösen sich auf dem Gesicht des Erzbischofs ab, alle unergründlich.

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