Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
mit gehöriger Lautstärke. »Haben Sie das verstanden?«, fragt er. »Henry hat einen Henker aus Calais bestellt.«
    »Bei allen Heiligen«, sagt Kingston. »Noch vor dem Prozess?«
    »So sagte der Monsieur Gesandte.«
    »Das freut mich«, sagt Kingston laut und langsam. »Mein Verstand ist erleichtert.« Er klopft sich an den Kopf. »Ich denke, er benutzt ein …« Er macht eine wischende Bewegung.
    »Ja, ein Schwert«, sagt Dinteville auf Englisch. »Sie dürfen mit einer eleganten Vorführung rechnen.« Er berührt seinen Hut. » Au revoir, Master Sekretär.«
    Sie verfolgen, wie er hinausgeht. Das allein ist schon eine Vorstellung. Dintevilles Bedienstete müssen ihn in weitere Schichten hüllen. Als er auf seiner letzten Mission hier war, hat er die Zeit vor Hitze vergehend unter dicken Decken verbracht und ein Fieber auszuschwitzen versucht, das er sich durch die englische Luft, die Feuchtigkeit und die nagende Kälte zugezogen hatte.
    »Der kleine Jeannot«, sagt er und blickt dem Gesandten hinterher. »Er fürchtet die englischen Sommer immer noch. Und den König – bei seiner ersten Audienz bei Henry konnte er vor Angst nicht aufhören zu zittern. Wir mussten ihn stützen, Norfolk und ich.«
    »Habe ich das missverstanden«, sagt der Konstabler, »oder hat er gesagt, Westons Schuld bestehe in Gedichten?«
    »So in etwa.« Anne war, wie es scheint, ein Buch, das offen auf dem Tisch lag, sodass jeder hineinschreiben konnte, was ihrem Ehemann hätte vorbehalten sein sollen.
    »Auf jeden Fall hat er mir etwas von der Seele genommen«, sagt der Konstabler. »Haben Sie je gesehen, wie man eine Frau verbrannt hat? Das ist etwas, das ich nie erleben möchte, so wahr mir Gott helfe.«
    Als ihn Cranmer am Abend des 16. Mai besuchen kommt, wirkt der Erzbischof krank. Verschattete Kerben ziehen sich von der Nase bis zum Kinn. Waren die vor einem Monat schon da? »Ich will, dass das alles vorbeigeht«, sagt er, »und dann will ich zurück nach Kent.«
    »Haben Sie Grete dort gelassen?«, fragt er freundlich.
    Cranmer nickt. Er scheint kaum in der Lage zu sein, den Namen seiner Frau auszusprechen. Jedes Mal, wenn der König von Ehe und Heirat spricht, gerät er in Panik, und natürlich spricht Henry in diesen Tagen von wenig anderem. »Sie hat Angst, dass sich der König mit seiner neuen Königin wieder Rom zuwendet und wir uns trennen müssen. Ich sage ihr, Nein, ich kenne den Standpunkt des Königs, aber ob er so weit gehen wird, dass ein Priester tatsächlich offen mit seiner Frau leben kann …? Wenn ich denken muss, dass darauf keine Hoffnung besteht, werde ich sie wohl nach Hause gehen lassen, bevor sie dort nicht mehr hinpasst. Sie wissen, wie das geht: Innerhalb von ein paar Jahren sterben die Leute, sie vergessen einen, man vergisst die eigene Sprache, wenigstens stelle ich es mir so vor.«
    »Da besteht alle Hoffnung«, sagt er fest. »Und sagen Sie ihr, in einigen Monaten, im neuen Parlament, werde ich alle Relikte Roms aus den Gesetzbüchern gestrichen haben. Und dann, wissen Sie« – er lächelt – »wenn auch die Vermögen erst einmal verteilt sind … wenn sie in die Taschen der Engländer gewandert sind, werden sie nicht in die des Papstes zurückkehren.« Er sagt: »In welcher Verfassung war die Königin? Hat sie die Beichte abgelegt?«
    »Nein. Sie ist noch nicht so weit. Sie will ganz zuletzt beichten. Wenn es unabwendbar ist.«
    Er freut sich für Cranmer. Was wäre in dieser Situation schlimmer? Zu hören, wie eine schuldige Frau alles zugibt? Oder wie eine unschuldige Frau ihn anfleht? Und in jedem Fall an seine Schweigepflicht gebunden zu sein? Anne will warten, bis es keine Hoffnung mehr auf eine Begnadigung gibt, und bis dahin ihre Geheimnisse bewahren. Er versteht das. Er würde es genauso machen.
    »Ich habe ihr gesagt, dass die Vorbereitungen für die Anhörung zur Annullierung ihrer Ehe getroffen sind«, sagt Cranmer, »und dass die Anhörung in Lambeth stattfindet, und zwar morgen. Sie wollte wissen, ob der König kommen wird. Nein, Madam, habe ich gesagt, er wird seine Bevollmächtigten schicken. Sie sagte, er sei mit Seymour beschäftigt, und dann tadelte sie sich selbst und sagte, ich sollte nicht gegen Henry reden, oder? Ich sagte, das sei nicht weise. Sie sagte: Darf ich nach Lambeth, um für mich zu sprechen? Ich sagte: Nein, das ist nicht nötig, auch für Sie sind Bevollmächtigte ernannt worden. Sie schien niedergeschlagen. Aber dann sagte sie: Bringen Sie mir, was der König

Weitere Kostenlose Bücher