Falken: Roman (German Edition)
»Sie wissen nicht, warum? Dann sehe ich, dass das Gerücht nicht wahr ist. Da bin ich froh.« Er zögert. »Sie wissen es wirklich nicht? Bei Hof heißt es, Lady Worcesters Kind sei von Ihnen.«
Er ist sprachlos. »Von mir?«
»Es heißt, Sie haben Stunden mit ihr hinter verschlossenen Türen verbracht.«
»Und das ist der Beweis für einen Ehebruch? Nun, so muss es wohl sein. Ich werde zur Kasse gebeten. Lord Worcester wird mich erledigen.«
»Sie sehen nicht aus, als hätten Sie Angst.«
»Ich habe Angst, allerdings nicht vor Lord Worcester.«
Eher vor den Zeiten, die anbrechen. Anne steigt die Marmorstufen zum Himmel hinauf, und ihre guten Taten hängen ihr wie Juwelen an Handgelenken und Hals.
Cranmer sagt: »Ich weiß nicht, warum, aber sie denkt, es ist noch Hoffnung.«
All diese Tage ist er nicht allein. Seine Verbündeten beobachten ihn. Fitzwilliam ist an seiner Seite, immer noch aufgewühlt von dem, was ihm Norris halb gesagt und wieder zurückgenommen hat: Er redet ständig darüber, strengt sein Gehirn an und versucht aus Bruchstücken ganze Sätze zu machen. Nicholas Carew ist meist bei Jane, und Edward Seymour huscht zwischen seiner Schwester und den Gemächern des Königs hin und her, wo die Atmosphäre gedämpft ist, wachsam, und der König, ungesehen, wie Minotaurus in einem Labyrinth von Räumen lebt. Er, Cromwell, versteht, dass seine neuen Freunde ihre Investitionen zu schützen versuchen. Sie wollen sehen, ob er schwankt oder zaudert. Er soll so tief in der Sache stecken, wie sie es nur einfädeln können: Die eigenen Hände bleiben verborgen, sodass es, sollte der König später Bedauern ausdrücken oder die Eile infrage stellen, mit der die Sache vorangetrieben wurde, Thomas Cromwell ist, der es auszubaden hat, nicht sie.
Riche und Master Wriothesley tauchen ebenfalls ständig auf. Sie sagen: »Wir wollen bei Ihnen sein, wir wollen lernen, wir wollen sehen, was Sie tun.« Aber sie können es nicht sehen. Als Junge, als er floh, um das schmale Meer zwischen sich und seinen Vater zu bringen, kam er ohne einen Penny in Dover an und stellte sich mit dem Drei-Karten-Trick in einer Straße auf. »Sehen Sie die Dame. Passen Sie auf, wo sie bleibt … Und jetzt, wo ist sie?«
Die Dame war in seinem Ärmel, das Geld in seiner Tasche. Die Spieler riefen: »Du wirst ausgepeitscht!«
Er bringt die Anordnungen zu Henry. Der König muss sie unterschreiben. Kingston hat noch keine Nachricht, wie die Männer sterben sollen. Er verspricht, er wird den König dazu bringen, dass er sich konzentriert. Er sagt: »Majestät, es gibt keinen Galgen auf dem Tower Hill, und ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre, sie nach Tyburn zu bringen. Die Menge könnte schwer im Zaum zu halten sein.«
»Warum?«, fragt Henry. »Die Londoner mögen diese Männer nicht. Sie kennen sie nicht einmal.«
»Nein, aber jede Entschuldigung für ein Aufbegehren, und wenn das Wetter gut bleibt …«
Der König knurrt. Sehr gut. Der Scharfrichter.
Mark auch? »Zwischendrin habe ich ihm Gnade versprochen, wenn er gesteht, und Sie wissen, dass er alles gestanden hat.«
Der König sagt: »Ist der Franzose gekommen?«
»Ja, Jean de Dinteville. Er hat Einspruch erhoben.«
»Nein«, sagt Henry.
Nicht dieser Franzose. Er meint den Henker aus Calais. Er sagt zum König: »Glauben Sie, es war in Frankreich, als die Königin in ihrer Jugend dort am Hof war, dass sie zum ersten Mal kompromittiert wurde?«
Henry schweigt. Er denkt, dann spricht er: »Sie hat mir immer zugesetzt, was denken Sie … wie überlegen Frankreich doch sei. Ich glaube, Sie haben recht. Ich habe darüber nachgedacht, und ich glaube nicht, dass es Harry Percy war, der ihr die Jungfernschaft genommen hat. Er würde doch nicht lügen? Nicht bei seiner Ehre als englischer Peer. Nein, ich glaube, sie ist am französischen Hof zum ersten Mal verführt worden.«
Damit kann er nicht sagen, ob der Henker aus Calais, so gut er seine Kunst auch beherrschen mag, tatsächlich eine Gnade ist. Oder ob er nur Henrys starkem Sinn für die Angemessenheit von Dingen entspricht.
Aber er denkt, wenn Henry einen Franzosen dafür verantwortlich macht, sie verdorben zu haben, irgendeinen unbekannten Ausländer, der womöglich längst tot ist, umso besser. »Dann war es also nicht Wyatt?«, sagt er.
»Nein«, sagt Henry düster. »Es war nicht Wyatt.«
Wyatt bleibt trotzdem vorerst besser, wo er ist, denkt er. Das ist sicherer so. Aber man kann ihn wissen lassen, dass er
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