Falken: Roman (German Edition)
nicht angeklagt wird. Er sagt: »Majestät, die Königin beschwert sich über ihre Bediensteten. Sie würde gerne die Ladies aus ihren eigenen Gemächern bei sich haben.«
»Ihr Gefolge ist aufgelöst. Fitzwilliam hat sich darum gekümmert.«
»Ich bezweifle, dass die Ladies alle schon nach Hause gefahren sind.« Sie harren, das weiß er, in den Häusern von Freunden aus, in Erwartung einer neuen Mistress.
Henry sagt: »Lady Kingston muss bleiben, den Rest können Sie austauschen. Wenn sie denn jemanden finden kann, der ihr dienen will.«
Anne weiß womöglich nicht, dass sich alle von ihr abgewandt haben. Wenn Cranmer recht hat, denkt sie, ihre früheren Freundinnen bejammern sie, wobei sie doch tatsächlich vor Angst schwitzend auf ihre Hinrichtung warten. »Jemand wird sich als barmherzig erweisen«, sagt er.
Henry sieht auf die Unterlagen vor sich, als wüsste er nicht, worum es sich handelt. »Die Todesurteile. Sie müssen bestätigt werden«, erinnert er ihn. Er steht neben dem König, während der die Feder eintaucht und seinen Namen unter jedes der Urteile setzt: eckige, aufwendige Buchstaben, die schwer auf dem Papier liegen; die Hand eines Mannes, wenn alles gesagt ist.
Er ist in Lambeth, wo das Gericht zusammengekommen ist, das über die Scheidung entscheiden soll, während Annes Geliebten sterben: Das ist heute der letzte Tag der Verhandlungen, er muss es sein. Sein Neffe Richard vertritt ihn auf dem Tower Hill und berichtet, wie es gegangen ist. Rochford hat eine wohlformulierte Rede gehalten und war Herr seiner selbst. Er wurde zuerst hingerichtet und brauchte drei Schläge mit der Axt, worauf die anderen nicht mehr viel sagten. Alle bekannten sich als Sünder und erklärten, sie verdienten den Tod, aber immer noch sagte niemand, wofür. Mark kam als Letzter an die Reihe, rutschte im Blut aus und bat um Gottes Gnade und die Gebete der Menschen. Der Henker muss sich zusammengenommen haben, denn nach der verpatzten Hinrichtung Rochfords starben alle sauber.
Auf dem Papier ist es geschafft. Die Gerichtsunterlagen sind bei ihm, damit er sie ins Rolls House bringt, aufbewahrt, zerstört oder verlegt, aber die Leichen der Hingerichteten sind ein schmutziges, dringendes Problem. Sie müssen auf einen Karren geladen und hinter die Mauern des Towers gebracht werden: Er kann sie vor sich sehen, einen Haufen verschränkter Körper ohne Köpfe, die promisk übereinanderliegen, wie auf einem Bett oder als wären sie, wie Leichen in einem Krieg, bereits begraben gewesen und wieder aus der Erde geholt worden. In der Festung werden ihnen die Kleider ausgezogen, die dem Henker und seinen Helfern zustehen. Nur die Hemden behalten sie an. An die Mauern von St. Peter ad Vincula schmiegt sich ein Friedhof, auf dem die gemeinen Bürger begraben werden, allein Rochford kommt unter den Boden der Kirche. Aber die Toten tragen keine Erkennungszeichen ihres Ranges mehr, und es gibt einige Verwirrung. Einer der Bestatter sagte: Holt die Königin, die kennt ihre Körper, worauf die anderen, berichtet Richard, über ihn herfielen: »Schäm dich!« Die Gefängnisleute sehen zu viel, sagt er, sie verlieren das Gefühl dafür, was angemessen ist. »Wyatt stand hinter einem Gitter im Glockenturm«, sagt Richard. »Er gestikulierte, und ich wollte ihm Hoffnung machen, wusste aber nicht, wie.«
Er wird freigelassen, sagt er. Aber wohl nicht, bevor Anne tot ist.
Die Stunden bis dahin scheinen noch lang. Richard umarmt ihn und sagt: »Hätte sie noch länger regiert, hätte sie uns den Hunden zum Fraß vorgeworfen.«
»Hätten wir sie noch länger regieren lassen, hätten wir es verdient.«
In Lambeth waren die beiden Bevollmächtigten der Königin zugegen gewesen sowie Dr. Bedyll und Dr. Tregonville als Vertreter des Königs, Richard Sampson als sein Rat. Und er selbst, Thomas Cromwell, und der Lordkanzler und andere Räte, darunter der Herzog von Suffolk, dessen eigene Eheaffären so verworren sind, dass er ein gewisses Maß an Kirchenrecht gelernt und es geschluckt hat wie ein Kind seine Medizin. Brandon hatte dagesessen und Grimassen gezogen, war auf seinem Stuhl hin und her gerutscht, während die Priester und Anwälte die Einzelheiten durchgegangen waren. Sie hatten eine Vorladung Harry Percys in Erwägung gezogen und waren übereingekommen, dass er ohne Nutzen für sie sei. »Ich verstehe nicht, warum Sie ihn nicht zur Zusammenarbeit haben bringen können, Cromwell«, sagt der Herzog. Widerstrebend hatten sie über
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