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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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glauben, dass die Räte beim Tod des Königs rufen: »Lang lebe der König.« Oft wird der Tod tagelang geheim gehalten. Genau wie das jetzt geheim gehalten werden muss … Henry ist wachsbleich, und er, Cromwell, sieht die erschreckende Zartheit menschlichen Fleisches, das von der Rüstung befreit wurde. Henry liegt auf dem Rücken, seine ganze herrliche Größe ist auf ein meerblaues Tuch gebettet. Seine Glieder sind ausgestreckt. Er wirkt unverletzt. Er, Cromwell, berührt das Gesicht des Königs. Es ist noch warm. Das Schicksal hat ihn nicht verunziert oder verstümmelt. Er ist intakt, ein Geschenk an die Götter. Sie nehmen ihn zurück, wie er geschickt wurde.
    Er öffnet den Mund und ruft. Was soll das heißen, dass sie den König hier so liegen lassen, unberührt von christlicher Hand, als wäre er bereits exkommuniziert? Läge hier ein anderer zu Boden gestürzter Mann, hätten sie längst versucht, seine Sinne mit Rosenblättern und Myrrhe zu wecken. An den Haaren würden sie ihn ziehen, ihm die Ohren verdrehen, Papier unter seiner Nase abbrennen, ihm den Mund öffnen, um Weihwasser hineinzutröpfeln. Neben seinem Kopf in ein Horn stoßen. All das sollte getan werden, und er hebt den Blick und sieht Thomas Howard, den Herzog von Norfolk, wie einen Dämon herbeilaufen. Onkel Norfolk: den Onkel der Königin, den ersten Fürsten Englands. »Bei Gott, Cromwell!«, faucht er, und was er meint, ist klar: Bei Gott, jetzt habe ich dich. Bei Gott, jetzt werden dir die anmaßenden Gedärme herausgerissen. Bei Gott, noch bevor dieser Tag zu Ende geht, wird dein Kopf auf einer Lanze stecken.
    Vielleicht. Aber in den nächsten Sekunden scheint er, Cromwell, sich auszudehnen und den Raum um den gefallenen Mann auszufüllen. Er hat das Gefühl, von hoch oben auf sich herabzusehen: Er wächst in die Breite und in die Höhe. So nimmt er mehr Boden ein. So nimmt er mehr Raum ein, atmet mehr Luft, steht fest und solide da, als Norfolk in ihn hineinläuft, zuckend, zitternd. So ist er eine Festung auf einem Fels, gelassen, und Thomas Howard wird von seinen Mauern zurückgeworfen, verschreckt, wankt und redet Unverständliches. Weiß Gott was über weiß Gott wen. » MYLORD NORFOLK !«, brüllt er ihn an. »Mylord Norfolk, wo ist die Königin?«
    Norfolk keucht. »Auf dem Boden. Ich hab’s ihr gesagt. Ich selbst. Es ist meine Aufgabe. Meine Aufgabe, ich bin ihr Onkel. Zusammengebrochen ist sie, hatte einen Anfall. Die Zwergin wollte sie hochziehen, weggetreten habe ich sie. Oh, allmächtiger Gott!«
    Wer regiert nun für Annes ungeborenes Kind? Als Henry vorschlug, nach Frankreich zu gehen, sagte er, er wolle Anne als Regentin zurücklassen, doch das ist jetzt mehr als ein Jahr her, und im Übrigen hat er seinen Plan nie in die Tat umgesetzt, und so wissen wir nicht, was er getan hätte. Anne sagte zu ihm, Cremuel, wenn ich Regentin bin, bekomme ich Ihren Gehorsam oder Ihren Kopf. Als Regentin hätte Anne mit Katherine und mit Mary kurzen Prozess gemacht: Katherine ist außer Reichweite, aber Mary da, um getötet zu werden. Onkel Norfolk war für ein schnelles Gebet neben die Leiche gesunken, doch schon steht er wieder: »Nein, nein, nein«, sagt er. »Keine Frau mit einem dicken Bauch. So jemand kann nicht regieren. Anne kann nicht regieren. Ich, ich, ich.«
    Gregory schiebt sich durch die Leute. Er hat die Vernunft besessen, Fitzwilliam zu holen, den Master Kämmerer. »Prinzessin Mary«, sagt er zu Fitz. »Wie sollen wir sie holen? Ich muss sie hierhaben. Oder das Reich ist verloren.«
    Fitzwilliam ist einer von Henrys alten Freunden, ein Mann seines Alters: Gott sei Dank von Natur aus zu fähig und gestanden, um in Panik zu geraten und Unsinn zu reden. »Sie ist von Boleyns umgeben«, sagt Fitz. »Ich weiß nicht, ob die sie herausgeben werden.«
    Ja, und was für ein Narr ich doch war, denkt er, mich nicht um ihre Aufpasser zu kümmern und sie im Voraus schon für einen Fall wie diesen zu bestechen. Ich habe versprochen, meinen Ring für Katherines Befreiung zu geben, für die Prinzessin habe ich nichts dergleichen arrangiert. Lass Mary in die Hände der Boleyns fallen, und sie ist tot. Lass sie in die Hände der Papisten fallen, und sie machen sie zur Königin, und ich bin tot. Und es gibt einen Bürgerkrieg.
    Höflinge drängen ins Zelt, alle mit Mutmaßungen auf den Lippen, wie Henry zu Tode gekommen ist, sie rufen, leugnen, jammern. Der Lärm wächst, und er fasst Fitzwilliams Arm: »Wenn die Kunde sich im Land

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