Falken: Roman (German Edition)
Lebensunterhalt damit zu verdienen, dass er junge Lords unterrichtete, ertrug Spott und die Verschwendung seiner Lebenszeit. Früher, sagte er, wurden den jungen Männern noch Manieren beigebracht, heute muss ich irgendeinem kleinen Säufer das Pferd versorgen und den Brustpanzer polieren, von dem ich mir früher nicht mal die Stiefel hätte putzen lassen. Sehen Sie mich nur an, wie ich mich hier damit begnügen muss, mit einem – was sind Sie? – Engländer zu trinken.
Der Ritter war Portugiese, sprach aber Küchenlatein und eine Art Deutsch, gespickt mit Fachausdrücken, wie sie in allen Sprachen ziemlich ähnlich sind. Früher war jedes Turnier eine ernste Erprobung. Da gab es keine Zurschaustellung von unnötigem Luxus, keine Frauen, die dir aus güldenen Pavillons zulächelten: Frauen kamen hinterher. Die Punkte wurden kompliziert verteilt, und die Kampfrichter kannten bei Regelübertretungen keine Gnade. Du konntest all deine Lanzen zerschmettern und dennoch verlieren, konntest deinen Gegner niederstrecken, statt des erhofften Sackes Gold dafür aber eine Strafe zahlen und dich mit einem befleckten Ruf trollen müssen. Ein Bruch der Regeln verfolgte dich quer durch Europa, so konnte dich eine Verfehlung, die du dir, sagen wir, in Lissabon geleistet hattest, in Ferrara einholen. Der Ruf eines Mannes eilte ihm voraus, und am Ende, sagte der Ritter, wenn die Saison schlecht gelaufen war, nach einer Pechsträhne, war der Ruf alles, was du hattest. Versuche dein Glück also nicht, riet er ihm, wenn es dir hold ist, schon im nächsten Moment kann es anders sein. Und zahle, was das angeht, kein gutes Geld für Horoskope. Wenn es schlecht für dich läuft, willst du das dann bereits beim Satteln wissen?
Nach einem Glas redete der alte Ritter, als wären alle seinem Gewerbe gefolgt. Postiere deine Knappen, sagte er, an beiden Enden der Barriere, um sicherzugehen, dass dein Pferd einen weiten Bogen macht, statt die Wende zu verkürzen. Sonst bleibst du vielleicht mit dem Fuß hängen, was leicht möglich ist, wenn da keiner aufpasst, und verdammt schmerzhaft: Ist dir das mal passiert? Einige Narren wollen ihre Jungs in der Mitte, wo es zur atteinte kommt. Aber was soll das? In der Tat, stimmte er ihm zu, das hat keinerlei Sinn – und staunte über das zarte Wort atteinte für den brutalen Moment des Auftreffens. Diese mit Federn geladenen Schilde, sagt der alte Mann, hast du die mal gesehen? Die fliegen auseinander, wenn sie getroffen werden. Kinderkram. Die Richter früher brauchten so was nicht, um sagen zu können, ob einer getroffen war, nein, die haben ihre Augen benutzt. Die hatten früher Augen. Hör zu, sagte er: Es gibt drei Gründe für eine Niederlage. Das Pferd kann versagen, der Mann kann versagen, die Nerven können versagen.
Du musst deinen Helm so aufsetzen, dass du ein weites Gesichtsfeld hast. Halte deinen Körper nach vorn gerichtet, und erst kurz bevor du zustößt, erst da drehst du den Kopf, dass du deinen Gegner voll im Blick hast. Folge der eisernen Spitze deiner Lanze mit den Augen bis ins Ziel. Einige Leute weichen in der Sekunde vor dem Auftreffen kurz zur Seite. Das ist natürlich, aber vergiss, was natürlich ist. Übe, bis du deinen Instinkt durchbrichst. Wenn er die Möglichkeit dazu hat, macht dein Körper diese Ausweichbewegung. Er versucht sich zu schützen, dein Instinkt will vermeiden, dass dein bewehrtes Pferd und dein bewehrtes Ich in vollem Galopp in einen anderen Mann und ein anderes Pferd krachen. Manche Männer weichen nicht aus, sondern machen im Moment des Zusammentreffens die Augen zu. Davon gibt es wieder zwei Arten: die einen, die wissen, dass sie es tun und nicht anders können, und die anderen, die es nicht wissen. Sorge dafür, dass deine Jungs die Augen beim Üben offen halten. Sorge dafür, dass du weder zu der einen noch zu der anderen Art gehörst.
Wie soll ich mich also verbessern?, fragte er den alten Ritter. Wie habe ich Erfolg? So lauteten die Instruktionen: Sitze locker in deinem Sattel, als rittest du aus, um Luft zu schnappen. Halte auch die Zügel locker, dein Pferd aber gesammelt. Reitest du in einem combat de plaisance mit knatternden Flaggen, Girlanden, stumpfen Schwertern und gepolsterten Lanzen, reite, als wolltest du deinen Gegner töten. Und töte im combat à l’outrance , als wäre es ein Sport. Hör mir zu, sagte der Ritter und schlug auf den Tisch, das habe ich gesehen, so oft, dass ich aufgehört habe, mitzuzählen: Dein Mann macht sich auf
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