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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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»Wollt ihr, dass ich mich verkühle? Ein Tropfen genügt völlig, es ist nicht die Menge«, und an ihn gewandt: »Crumb, Sie wissen, das ist nie passiert!«
    Er nickt. Er ist längst dabei, alles zu vernichten, was bereits aufgeschrieben wurde. Später wird man wissen, dass bei einem der Turniere das Pferd des Königs strauchelte. Aber Gottes Hand hob ihn auf und setzte ihn, der laut lachte, zurück auf den Thron. Noch ein bemerkenswertes Ereignis für »Das Buch namens Henry«: Schlag ihn nieder, und er steht gleich wieder auf.
    Aber die Königin hat nicht unrecht. Du hast die Ritter aus der Zeit des alten Königs am Hof herumhumpeln sehen, die zuckenden, hohlköpfigen Überlebenden der Turniere. Männer, die einen Schlag auf den Kopf bekommen haben. Männer, krumm wie Eckziegel. Und all dein Können zählt nichts, wenn der Tag deiner Abrechnung kommt. Das Pferd kann versagen, der Mann kann versagen, die Nerven können versagen.
    An diesem Abend sagt er zu Richard Cromwell: »Es war ein schlimmer Moment für mich. Wie viele Männer können sagen, was ich sagen muss: ›Ich bin ein Mann, dessen einziger Freund der König von England ist‹? Ich habe alles, solltest du denken. Aber nimm Henry weg, und ich habe nichts mehr.«
    Richard sieht die bittere Wahrheit des Satzes. Sagt: »Ja.« Was sonst soll er sagen?
    Später äußert er denselben Gedanken in einer vorsichtigen, modifizierten Form Fitzwilliam gegenüber. Fitzwilliam sieht ihn an: nachdenklich und nicht ohne Mitgefühl. »Ich weiß nicht, Crumb. Sie sind nicht ohne Unterstützer, das wissen Sie.«
    »Vergeben Sie mir«, sagt er skeptisch, »aber wie schlägt sich diese Unterstützung nieder?«
    »Ich meine, dass Sie nicht allein wären, sollte es gegen die Boleyns gehen.«
    »Warum sollte es das? Die Königin und ich sind beste Freunde.«
    »Das ist nicht das, was Sie Chapuys erzählen.«
    Er beugt den Kopf. Interessant, wer alles mit Chapuys redet. Interessant auch, was der Botschafter so weitergibt, von einem zum anderen.
    »Haben Sie die Meute gehört?«, sagt Fitz. In seinem Ton liegt Abscheu. »Draußen vor dem Zelt, als wir dachten, der König sei tot? Wie sie ›Boleyn! Boleyn!‹ gerufen haben? Ihren eigenen Namen. Wie Kuckucke.«
    Er wartet. Natürlich hat er sie gehört. Was ist hier die eigentliche Frage? Fitz steht dem König nahe. Er ist zusammen mit Henry am Hof aufgewachsen. Seine Familie gehört zur Oberklasse, aber nicht zum Adel. Er war im Krieg. Trug einen Armbrustpfeil in sich. War auf Missionen im Ausland, kennt Frankreich, kennt Calais, die englische Enklave dort und ihre Politik. Er gehört zur erlesenen Gruppe der Ritter des Hosenbandordens. Schreibt gute Briefe, kommt auf den Punkt, ist weder zu direkt noch weitschweifig, kein Schleimer und weiß doch, wem Achtung gebührt. Der Kardinal mag ihn, und er ist umgänglich, wenn er, wie jeden Tag, mit Thomas Cromwell im Wachraum speist. Er ist immer umgänglich: Und jetzt noch mehr? »Was wäre geschehen, Crumb, wäre der König nicht wieder zum Leben erwacht? Ich werde nie vergessen, wie Howard ›Ich, ich, ich!‹ gekräht hat.«
    »Das ist nichts, was wir aus unserem Gedächtnis streichen werden. Und bezüglich …« Er zögert. »Nun, wenn es zum Schlimmsten gekommen wäre: Der Körper des Königs stirbt, doch seine Politik geht weiter. Es könnte möglich sein, einen Regierungsrat zusammenzurufen, mit Justizbeamten und den jetzigen Ratsmitgliedern …«
    »… darunter auch Sie …«
    »Darunter auch ich.« Ich in mehreren Funktionen, denkt er: Wer genießt mehr Vertrauen, ist dem König näher und nicht einfach nur der Master Sekretär, sondern auch ein Justizbeamter, der Master of the Rolls? »Mit Zustimmung des Parlaments hätten wir einen Rat zusammenbringen können, der als Regent fungiert hätte, bis die Königin niederkommt, und vielleicht mit ihrer Erlaubnis während der Minderjährigkeit …«
    »Sie wissen genau, dass Anne solch einer Regelung niemals zustimmen würde«, sagt Fitz.
    »Nein, sie würde die Macht selbst ergreifen. Obwohl sie Onkel Norfolk gegen sich hätte. Wer von den beiden am Ende nachgäbe, kann ich nicht sagen. Die Lady, würde ich denken.«
    »Gott helfe dem Reich«, sagt Fitzwilliam, »und allen seinen Männern. Von den beiden würde ich eher Thomas Howard wollen. Den könnte man wenigstens herausfordern, sich einem Kampf zu stellen. Würde die Lady die Regentin, träten uns die Boleyns mit Füßen. Wir wären ihr lebendiger Teppich, und sie

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