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Falkengrund Nr. 33

Falkengrund Nr. 33

Titel: Falkengrund Nr. 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Helligkeit des Tages blendete ihn. Er hielt Ausschau nach Polizei, nach Security-Leuten, nach jemandem mit einer Waffe. Aber konnte man die Frau damit töten?
    Die Frage war müßig. Er fand niemanden. Nur das Mädchen vom Einlass starrte ihn aus großen Augen an. „Was geht da drinnen vor sich?“, wollte sie wissen. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie schien unschlüssig, ob sie hineingehen oder wegrennen sollte.
    Enene setzte zu einer Antwort an, da entdeckte er auf einem kleinen Schränkchen eine Taschenlampe. „Funktioniert sie?“, fragte er. Ohne die Erwiderung abzuwarten, nahm er sie an sich und stürzte zurück in den Flur und an die Tür zum Fernsehzimmer. Mehrmals rutschten seine schweißnassen Finger erfolglos über den eingerosteten Schalter der Lampe hinweg, dann hatte er es geschafft. Ein schwaches Licht, das von einer ersterbenden Batterie zeugte, hellte den Raum kaum merklich auf.
    Menschen schrien durcheinander, Stühle polterten. Enene konnte kaum etwas erkennen.
    Irgendwo musste es doch einen Lichtschalter geben! Er tastete an beiden Wänden neben der Tür herum, während der Tumult weiterging und ihm ein Stuhl gegen die Brust prallte. Schließlich fand er den Schalter, das Licht flammte auf und schälte die Szene in ihrer ganzen Schrecklichkeit aus dem Dunkel.
    Die Frau stand schwankend zwischen umgeworfenen und teilweise zerbrochenen Stühlen. Die Zuschauer drängten sich noch immer gegen die Wände, drei Leute lagen auf dem Boden, vielleicht tot, unter ihnen Dr. Smith. Ein kleiner Mann mit einem durchschwitzten gelben Hemd stand vor der Frau, ein langes Messer in der Hand.
    Als das Licht aufgeflammt war, hatte er schon in derselben Pose dort gestanden. Offenbar hatte er nur deshalb nicht zugestoßen, weil er nicht wusste, wo sich seine Gegnerin befand. Nun, da Enene für Helligkeit gesorgt hatte, zog er die Klinge ansatzlos durch ihre Kehle hindurch.
    Blut prasselte wie ein Gewitterregen, die Frau machte einen Schritt und fiel dann gurgelnd zu den anderen.
    Unwillkürlich hielt sich Enene die Hand vor den Mund.
    Menschen stöhnten, keuchten, schrien. Niemand sagte etwas.
    Enene kniete sich neben Dr. Smith. Seine Brust war eine einzige Wunde, sein Anzug längst nicht mehr weiß. Aber er lebte noch. Seine Lider flatterten, seine Lippen formten Worte. Enene brachte sein Ohr näher an Smiths Mund.
    „Sie … sagte … jetzt sei sie nicht mehr … hungrig … Das war, nachdem … nachdem sie mich … Die Tentakel … sie zogen sich zurück … Ist sie … ist sie …“
    „Sie ist tot“, bestätigte Enene. Und irgendwie tat es ihm leid. Wenn es sich so verhielt, wie Smith sagte, war sie vielleicht nicht mehr gefährlich gewesen. Anstatt sie zu töten, hätte man etwas von ihr erfahren können. Aber er selbst hatte ihr Todesurteil gefällt, als er das Licht einschaltete. Natürlich hatte er das nicht wissen können.
    „Deine Suche“, keuchte Smith, „nach den Leuten, die den … Film gedreht haben … Ich helfe dir … Ich kenne Lagos wie meine … wie meine … meine …“
    Ein Schwall Blut strömte aus dem Mund des Liegenden. Ein Ruck ging durch seinen Körper, und es war vorbei.
    Schweigend erhob sich Enene. Die Taschenlampe in seiner Hand brannte immer noch, und ihm fiel nicht mehr ein, wie man sie ausmachte.
    Er würde Stunden brauchen, vielleicht Tage, um zu verkraften, was er eben erlebt hatte. Vielleicht würde er eines Tages verstehen, wie das alles zusammenhing. Der Film, die Berichte von Georg, Madoka und Melanie, die die Schatten selbst gesehen hatten – dazu diese Frau, die mörderische Tentakel ausspuckte wie ein böser Geist und doch mit einem einzigen Messerhieb zu töten war.
    Er würde seine Suche fortsetzen.
    Das Geheimnis lag in Afrika.

    ENDE DER EPISODE

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Nr. 64 -

Orisha

1
    In der Kirche traf er einen Mann, der aussah, als wäre er durch die Hintertür eines Gruselkabinetts entwichen.
    Er trug eine lange, farblose Kutte aus einem leichten Baumwollstoff, die sich über seinem Körper wölbte und auf dem Boden schleifte. Sein Gesicht war ein Totenschädel. Papierartige schwarze Haut spannte sich so eng darüber, dass die Kanten der Knochen messerscharf hervortraten. Der kleine, zusammengekniffene Mund war die Stelle, an der diese Haut zusammengezurrt zu sein schien wie der Stoff eines Beutels. Der Mann schien sich kein Lächeln erlauben zu können, ohne dass sie zerriss und der blanke Schädel zum Vorschein kam.
    Man würde ihm man am

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