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Falkengrund Nr. 33

Falkengrund Nr. 33

Titel: Falkengrund Nr. 33 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Toten. Man kann sehen, wie sich ihre Brust hebt und senkt, und manche schnarchen.“
    Enene winkte ab. Diese Details waren ihm nicht entgangen. Das mit den Zombies und Vampiren hatte er nicht wörtlich gemeint. Es war nur ein Bild gewesen. Trotzdem – bizarr nahm sich die Situation schon aus. Mussten sie wirklich bis zum Abend warten, um die Menschen erwachen zu sehen? Es gab nicht einmal einen Wächter, der auf die Siedlung aufpasste. Grimmig setzte er sich auf einen von fünf Holzblöcken in der Dorfmitte. Ein schiefer Baum breitete sein Geäst als löchriges Dach über diese Stelle.
    Im Nachhinein betrachtet war es ein Kinderspiel gewesen, die Personen ausfindig zu machen, die diesen merkwürdigen Film gedreht hatten. Carl von Carl’s Video Tower kannte ein paar Leute, die wussten von anderen, die verkehrten wiederum mit einer ganzen Menge illustrer Personen, und in dieser Menge befanden sich zwei, die zu wissen glaubten, wo der Regisseur und seine Truppe wohnten. Nachdem er tagelang endlose unergiebige Palaver geführt und teure Schmiergelder gezahlt hatte, kam er seinem Ziel schließlich näher. Zwei Spuren. Eine davon führte in eine Textilfabrik am Rande der Slums, wo in einer Wolke aus chemischen Dämpfen dreißig Arbeiter ihren harten und schweißtreibenden Dienst versahen.
    Als er die schmutzige, zerfallene Rückwand sah, erkannte er eines der Szenenbilder aus dem Film wieder. Vor dieser Mauer hatten die schwarzen Menschen getanzt, unter anderem.
    Ansonsten fand er dort nichts. Dafür wurde sein Auto in den zehn Minuten, die er es aus den Augen gelassen hatte, von Unbekannten aufgebrochen. Zu stehlen gab es nichts, und starten hatten die Halunken den Wagen auch nicht können, allerdings waren die Schlösser nachhaltig demoliert worden, und die Sitze dazu – der Verleiher würde sich freuen. Was ihn am meisten ärgerte: Das ganze Theater wäre zu vermeiden gewesen, denn Bruder Quirinius stand neben dem Fahrzeug, um ein Auge darauf zu haben. Dieser hatte jedoch nicht ins Geschehen eingegriffen, sondern einfach zugesehen und den Taugenichtsen mit einer Engelsgeduld von Jesus und Gottes Gnade erzählt.
    Ein Grund mehr, dem merkwürdigen Mönch die kalte Schulter zu zeigen, so wenig wie möglich mit ihm zu sprechen und ihn jede Sekunde spüren zu lassen, dass er unerwünscht war.
    Die zweite Spur traf ins Schwarze. Ein Dorf, dreißig Kilometer außerhalb von Lagos, sollte der Aufenthaltsort des Regisseurs und seiner Mannschaft sein. Es gab noch eine interessante Einzelheit: Die einstige Bevölkerung des Fleckens war vor Jahren von einem aggressiven Virus restlos ausgerottet worden. Für ein Jahr lang war der Ort abgeriegelt gewesen, noch länger hatten die Hütten leergestanden, dem Verfall preisgegeben, nun waren sie wieder bewohnt.
    Von den Menschen, die Enene in dem Film gesehen hatte.
    Blacker than Black – ein Tanzfilm der besonderen Art war es gewesen, Männer und Frauen in künstlich durch Schnitte erzeugten ruckartigen Bewegungen, mit übertriebenen, unwirklichen Kontrasten, vor den Ruinen verlassener Fabrikhallen, auf Schrottplätzen und Friedhöfen, das alles untermalt von ebenso organischer wie technisch eingefärbter Musik. Ein Film voll ungreifbaren Grauens. Eine Atmosphäre, die einen verfolgte, die fast bei jedem Schritt, den man in Lagos machte, wiederaufzuleben drohte. Ein Dokument wie von der Endzeit des afrikanischen Kontinents.
    Alle, die in dem Film gespielt und daran mitgewirkt hatten, lebten hier, so hieß es. Einst hatte das Dorf einen Namen gehabt – sie hatten ihn mit den Überresten der ehemaligen Bewohner begraben und die Ansammlung von zwanzig Hütten Ojiji genannt. Das war ein Yoruba-Wort und bedeutete Schatten .
    Darüber dachte Enene nach, während Bruder Quirinius unermüdlich in die Hütten spähte. Nach einer Weile kehrte der Mönch zurück.
    „Haben Sie den Käfig gesehen?“, wollte er wissen.
    Enene hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Er folgte Quirinius zu einem niedrigen Bauwerk aus blauem Wellblech. Er hatte es für einen Speicher oder eine Abstellkammer gehalten und ihm keine Aufmerksamkeit geschenkt. Der Mönch musste genauer hingesehen haben – zwischen zwei der Lagen aus Blech gab es einen Spalt, und wenn man dort hinein blickte und wartete, bis die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte man Stäbe entdecken, metallisch und dick, mit handbreiten Zwischenräumen. Ein Gitter. Hinter den Stäben bewegte sich etwas.
    „Sehen Sie es an“, forderte

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