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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Dunkelheit heraus selbst mit einer schnalzenden Bewegung in den Kahn. Trent vergaß beinahe das Rudern über diesem Anblick. Der Barsch – falls es einer war und nicht einfach eine wirre, namenlose Ausgeburt der Hölle – hatte eine ausgeprägte Zeichnung auf der Körperseite, fleischfarben vor grauem Hintergrund. Es war das Gesicht eines Mannes, so deutlich, dass Trent ihn wiedererkannt hätte, falls er ihm bekannt gewesen wäre. Der Mund war breit und dünn, die Brauen wuchtig. Voller Ekel griff Trent nach dem Tier, um es aus dem Boot zu werfen, doch es entging seinen halbherzigen Versuchen und hüpfte so lange umher, bis es auf Laurens Bauch zu liegen kam. Die Frau schlug kreischend um sich – der Fisch flog in den See zurück.
    Unterdessen hatte der Spuk das kleine Boot beinahe erreicht. Die heruntergekommene Gestalt, die auf dem Wasser lief, hielt die Arme erhoben. Drohend. Warnend. Das Mondlicht beleuchtete das Gesicht des Mannes, und Trent sah, was er schon befürchtet hatte: dass es mit jenem identisch war, welches der Barsch wie eine zufällige Laune der Natur als Zeichnung getragen hatte! Nie in seinem Leben würde er dieses Gesicht vergessen.
    Als das Boot im Schilf stecken blieb, wusste sich Trent nicht anders zu helfen, als sich rückwärts in den See fallen zu lassen. Er ging im Ried unter, doch der See war an dieser Stelle nicht ganz ein Yard tief, und er war sofort wieder auf den Beinen. Der Spuk stand gleich neben ihm, dunkel, körperlich, nicht wie ein Geist. „Lauren!“, schrie Trent. Er konnte nichts tun. Sie hatte sich wimmernd zusammengekauert, die Hände über dem Kopf. Sie zur Flucht zu bewegen, würde zu lange dauern. Außerdem musste er dazu an dem Unheimlichen vorbei.
    Trent vergaß seine Mission. Stattdessen traf er die Entscheidung, die ihn zum Feigling machte. Er ließ das Boot mit Lauren zurück, wischte die Schilfrohre zur Seite und watete in größter Eile auf das Ufer zu. Kurz sah er im Augenwinkel den Mann, der bis auf wenige Fuß herangekommen war und noch einmal „No!“ raunte. Dann hatte er festen Boden unter den Füßen.
    Etwas blitzte in seinem Geist auf.
    Thomas Carnacki.
    Er schüttelte sich, blieb stehen und wandte sich um.
    Der Spuk war verschwunden. Durch das Ried sah er seinen Kahn. Irgendetwas in der Luft sagte ihm, dass es in der Tat vorüber war. Dennoch ging er nicht gleich ans Wasser zurück. Zitternd vor Grauen und Kälte verharrte er und versuchte zu begreifen, was geschehen war. So vieles war vorgefallen: Die seltsamen Veränderungen in Laurens Verhalten. Die Fische. Die Erscheinung des Mannes, der auf dem Wasser ging. Seine Schreie, und der Name in seinem Kopf.
    Was der Spuk gerufen hatte, klang wie „No“ – „Nein“. Wollte er ihn davon abhalten, etwas Bestimmtes zu tun? Es nahm sich absurd aus, aber … war es möglich, dass der Spuk ihn vor Lauren warnte? Wer war Thomas Carnacki? Der Mann, dessen Gesicht sowohl die Erscheinung als auch die Fische getragen hatten?
    Trent rupfte ein Büschel Schilf ab, hielt es sich vor seine Genitalien und kehrte zum Kahn zurück. Lauren war wach. Sie blickte ihm mit unsteten, dem Wahnsinn nahen Augen entgegen. „Ich dachte, Sie lassen mich hier sterben“, krächzte sie.
    Trent biss die Zähne zusammen und half ihr, sich die nassen Kleider überzuwerfen. Danach kleidete er sich selbst an. Schweigend, frierend, voller unheimlicher Gedanken, machten sie sich auf den Weg in die Stadt.
    „K-keine Polizei“, stotterte Trent, als er die junge Dame an ihrer Haustür ablieferte. „Wie Sie sagten – es soll nie jemand erfahren, was wir in dieser Nacht getan haben.“
    „Keine Polizei“, nickte Lauren müde.
    Allerdings blieb Trent seinem Versprechen nicht treu. Bei seinen Nachforschungen in den folgenden Wochen stieß er tatsächlich auf einen Menschen mit dem seltenen Namen Thomas Carnacki. Da dieser Mann keineswegs tot war, sondern sich bester Gesundheit erfreute, wie ihm seine Informanten versicherten, wurde er neugierig.
    Trent stattete diesem Carnacki einen Besuch ab, in dessen Wohnung im Londoner Stadtteil Chelsea. Als er dazu noch erfuhr, dass dieser als Spezialist für übernatürliche Phänomene praktizierte, sah er sich genötigt, dem Mann seine Erlebnisse darzulegen – inklusive der pikanten Details.
    Nicht genötigt sah er sich, die Einzelheiten preiszugeben, die geeignet waren, ein ungutes Licht auf ihn zu werfen und Anlass zu Zweifeln an seiner Tapferkeit gaben …

3
    Man schrieb das Jahr 1910 –

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