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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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hast dir selbst die Karten gelegt? Ich denke, das tust du nie, weil es so schwierig ist, die richtige Deutung zu finden.«
    Sie lächelte ein wenig verlegen. »Gewöhnlich tue ich es ja auch nicht. Aber warum soll ich nicht mal die optimistischste Möglichkeit, die die Karten mir anbieten, für die richtige halten?« Und verschmitzt fügte sie hinzu: »Außerdem habe ich die Karten ja auch nicht nach meiner Zukunft befragt, sondern nach deiner. Ich habe nämlich danach gefragt, ob du mich wieder sehen würdest, und nicht umgekehrt!«
    Er lachte. »Na, wenn das mal nicht hart an Haarspalterei grenzt!« Und wieder ernst sagte er: »Ich hoffe sehr, dass die Karten Recht behalten, Jana.«
    »Ich auch, Tobias.« Sie sah ihm dabei in die Augen, ihr Blick ging ihm durch und durch und ließ es ihn noch schwerer werden, seine aufgewühlten Gefühle unter Kontrolle zu halten.
    Unsinn turnte auf dem Kutschbock herum und kreischte, als wollte er zum Aufbruch drängen.
    Jana griff in ihre Jackentasche. »Ich möchte dir das hier schenken. Es soll dir Glück bringen, wie es mir Glück gebracht hat«, sagte sie und drückte ihm etwas in die Hand.
    Es war eine kleine dunkle Holzkugel, etwas kleiner als eine Walnuss. Erst glaubte er, es wäre ein winziger Globus. Doch bei näherem Hinsehen sah er, dass es sich bei dem filigranen Schnitzwerk, das die Kugel überzog, nicht um Kontinente handelte, sondern um ineinander verschlungene Zeichen aus dem Bereich der Magie und des Tarot.
    »Die Vier und die Sieben!«, rief er und drehte die Holzkugel herum. Die Vier stand auf dem Kopf, und der gewöhnlich nach oben zeigende kurze Strich, mit dem man eine Vier begann, war gleichzeitig der senkrechte Balken der Sieben.
    »Ja, meine Glückszahl«, sagte Jana. »Lucas, ein Liliputaner, mit dem wir lange durch Preußen gezogen sind, hat diese Kugel geschnitzt und mir vor Jahren geschenkt. Da sind auch das Schicksalsrad«, wies sie ihn auf weitere Zeichen hin, »das magische Auge, der Kelch, die Sonne, Narrenkappe und Zwei der Schwerter, das Zeichen für Frieden. Es soll dir Glück bringen.«
    »Ich werde es immer bei mir tragen«, versprach er bewegt und blinzelte, um die Tränen aus seinen Augen zu halten.
    »Damit würdest du mir eine große Freude bereiten. Und jetzt muss ich los. Leb wohl. Im Herbst komme ich vielleicht auf diesem Weg zurück«, sagte sie, einen feuchten Schimmer in den Augen, beugte sich schnell vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Dann schwang sie sich rasch auf den Kutschbock, griff zu den Zügeln und ließ Napoleon antraben.
    Die Kugel fest in der rechten Hand umschlossen, ging er neben dem Wagen her. Am Tor blieb er stehen. Sie winkte ihm noch einmal zu, dann rumpelte der Wagen die Allee hinunter.
    Mit einem entsetzlichen Kloß im Hals schaute er dem Wagen nach. Das magische Auge auf der Rückseite wurde kleiner und kleiner. Dann ging die Allee in den Wald über und Janas Kastenwagen verschwand hinter den Bäumen.
    Er setzte sich auf den Stein und schaute noch eine ganze Weile die Allee hinunter, als hoffte er, sie würde umkehren und im nächsten Moment wieder aus dem Wald auftauchen. Was für ein unsinniger Gedanke. Im Herbst würden sie sich erst wieder sehen. Vielleicht.
    Mit dem Zeigefinger rollte er die kunstvoll geschnitzte Holzkugel in seiner Handfläche hin und her. War dies alles, was ihm von Jana blieb? Es war viel zu wenig. Die magischen Zeichen verschwammen vor seinen Augen.
    Als er sich eine Träne aus den Augenwinkeln wischte, war er froh, dass niemand es sah.
     

 
Die Hütte des Köhlers
     
    Ohne Jana erschien ihm Falkenhof trist und ohne Leben. Es würde nie mehr so sein, wie es vor ihr gewesen war. Zwar hatte sich auf dem Landgut nichts verändert und alles war wie eh und je, doch er hatte sich verändert.
    Heinrich Heller blieb nicht verborgen, wie bedrückt sein Neffe war, und er war einfühlsam genug, ihm nicht mit den tröstlichen Weisheiten eines alten Mannes über seinen Schmerz hinweghelfen zu wollen.
    »Warum unternimmst du nicht einen Ausritt, Junge?«, schlug er ihm vor, als Tobias in sich gekehrt bei ihm in der Experimentierwerkstatt saß und immer wieder die kleine Holzkugel zur Hand nahm. »Ein bisschen Bewegung wird dir bestimmt gut tun. Das Wetter ist gut, und wenn bis heute Abend kein Wind aufkommt, können wir wieder mit dem Ballon aufsteigen.«
    Tobias schaute auf, gab ihm aber keine Antwort. Sein Blick sagte genug.
    »Ich weiß, dass dir das Mädchen viel bedeutet«, fuhr sein

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