Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
unterzeichnen. Genauso ein Triumph für ihn wie für Rozier und d’Arlandes der Flug mit dem Le Reveillon.«
»Und wann steigen wir mit dem Falken auf, Onkel?«, fragte Tobias, begierig, nun mehr über ihren Ballon und ihre Pläne zu erfahren.
»Das hängt ganz davon ab, wie lange wir brauchen, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Eine Ballonhülle und die Mittel zur Erzeugung des Gases zu haben, reicht allein nicht aus. Wir brauchen einen vorbereiteten Startplatz und …«
»Wo wird der sein?«, fiel ihm Tobias ins Wort.
»Ich denke, der Innenhof mit seinen großzügigen Ausmaßen bietet sich dafür an«, erwiderte Heinrich Heller. »Besser als auf freiem Feld ist er allemal, schon was den Windschutz betrifft – und den Blickschutz vor Gaffern aus der Umgebung. Ich möchte unseren Ballon so lange wie möglich geheim halten, deshalb habe ich Pagenstecher auch strengstes Stillschweigen aufgetragen und den Ballon in Frankfurt und nicht hier bei unserer Tuchfabrik in Mainz fertigen lassen. Auf das Personal von Falkenhof können wir zum Glück ja blind vertrauen. Agnes, Lisette, Jakob und Klemens stehen schon lange Jahre in meinen Diensten und wissen, wem ihre Loyalität gehört. Das ist sehr beruhigend.«
»Ja, für Klemens würde auch ich die Hand blind ins Feuer legen, dass er keinem auch nur ein Sterbenswörtchen verrät«, scherzte Tobias.
Klemens Ackermann war das Faktotum von Falkenhof, den Heinrich Heller beim Kauf des Gutes aus Barmherzigkeit mit übernommen hatte, denn nirgends sonst hätte er noch Arbeit gefunden bei der abergläubischen Landbevölkerung. Klemens war nämlich vor zweiundfünfzig Jahren stumm und mit einem Buckel auf dem Landgut zur Welt gekommen. Es hieß, er wäre das uneheliche Kind einer hübschen Wäscherin und des damaligen Gutsbesitzers gewesen, der keinem Weiberrock hätte widerstehen können und seine Macht dem weiblichen Personal gegenüber dementsprechend schamlos ausgenutzt hätte. Heinrich Heller hatte nie bereut, ihn behalten zu haben, denn er war ihm nicht nur treu ergeben, sondern wusste auch kräftig mitanzupacken und machte sich auf vielfältige Weise auf dem Landgut nützlich.
»Lass man gut sein, Tobias. Klemens steht schon seinen Mann«, sagte Heinrich Heller auf das Lachen seines Neffen hin. »Und auch wenn er mit Engelszungen reden könnte, würde kein Wort über seine Lippen kommen.« Dann brachte er das Gespräch wieder auf den Ballon zurück. »Es wird in der Gegend viel Aufregung geben, wenn bekannt wird, dass sich der verrückte Professor von Falkenhof einen Ballon zugelegt hat. Die Leute werden zu uns pilgern, voller Sensationslust, und auch die sich fein dünkenden Herrschaften von den anderen Gütern werden sich plötzlich bei uns ein Stelldichein geben, weil sie darauf spekulieren, bei einem Aufstieg mitgenommen zu werden.«
»Glaubst du das wirklich? Sie schneiden dich doch, weil sie dich für einen gefährlichen Jakobiner, einen Anhänger der Französischen Revolution, halten und dich lieber heute als morgen im Kerker sähen«, wandte Tobias ein.
»Sie werden sich eines anderen besinnen und es plötzlich ganz mondän finden, mit einem wie mir zu verkehren. Natürlich nur so lange, bis sich ihre Neugier gelegt hat und sie genug von meinem Ballon haben«, erklärte sein Onkel voller Sarkasmus. »Aber so sind die Menschen nun mal. Wenn sie sich selbst einen Vorteil versprechen, ändern sie ihre Meinung und hängen sie wie die Wetterfahne in den Wind, mein Junge. Und dann schauen sie auch großzügig darüber hinweg, dass sie vorher nichts mit einem zu tun haben wollten.«
»Aber was willst du dagegen tun?«
»Ich werde dir etwas verraten: Ich habe den Ballon aus schwarzem Taft und schwarzer Seide fertigen lassen. Sagt dir das etwas?«
»Ein schwarzer Ballon?« Tobias war verblüfft. Ballons hatte er sich bisher stets nur als bunte, am Himmel leuchtende Gebilde vorgestellt – und so hatte Schwitzing sie ihm auch beschrieben. Ein schwarzer war ganz sicher nicht darunter gewesen!
Sein Onkel lächelte verschwörerisch, beugte sich zu ihm hinüber und sagte gedämpft, als könnte jemand sie belauschen: »Der bei Nacht so gut zu sehen sein wird wie ein Mohr in einem pechschwarzen Kellergewölbe!«
Tobias riss den Mund auf. »Du willst … bei Nacht aufsteigen?«, stieß er ungläubig hervor.
»Sicher? Warum auch nicht? Natürlich werden es Fesselaufstiege sein, also an einem oder mehreren Seilen. Meine Messungen und Experimente kann ich auch sehr
Weitere Kostenlose Bücher