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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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Betttuch krallte. Die Kordel mit den Glasperlen und der Münze trug sie nicht mehr um die Stirn, auf der Schweiß glänzte.
    »Gut, dass du wieder da bist, mein Junge«, sagte sein Onkel. »Alles in Ordnung mit dem Zigeunerwagen?«
    Tobias nickte und glaubte einen fetten Kloß in der Kehle zu haben. Es erschien ihm lächerlich, sich angesichts des Mädchens darüber beklagen zu wollen, wie schwer es doch gewesen war, ihn wieder auf die Straße zu ziehen, und wie eisig sich seine Füße anfühlten.
    »Wie geht es ihr?«, brachte er nur heraus.
    »Wir haben gerade noch mal den Verband gewechselt. Die Wunde ist ausgewaschen, verbunden und gut versorgt, und der Bruch ist gerichtet und geschient. Mehr können wir im Augenblick nicht für sie tun.«
    »Willst du denn keinen Arzt rufen, Onkel?«
    »Sadik ist der beste Arzt, den sie sich wünschen kann«, erwiderte sein Onkel.
    »Ich bin kein wirklicher hakim, nicht nach unserem Verständnis«, wehrte Sadik sofort ab. »In meiner Heimat würde mich keiner an einen Kranken lassen.«
    »Aber du kennst dich in der Heilkunde besser aus als alle Knochenflicker, die mir in meinem nicht gerade kurzen Leben begegnet sind«, sagte Heinrich Heller nachdrücklich. »Also stell dein Licht nicht unter den Scheffel, mein Freund!«
    »Ich habe eine Menge gelernt, als ich in den Diensten des hakim Ibn Al-Amid stand«, räumte Sadik bereitwillig und ohne falsche Bescheidenheit ein. »Er war ein berühmter Arzt und ein großer Gelehrter, so wie Sie es auf Ihrem Gebiet sind, Sihdi Heinrich. Und in acht Jahren eignet man sich schon dieses und jenes nützliche Wissen an, auch wenn man nur der Helfer eines so gelehrten Mannes ist.«
    Tobias sah den Araber überrascht an. »Du warst Diener eines arabischen Wunderheilers?«
    »Weder war ich Diener noch war Ibn Al-Amid ein Wunderheiler«, stellte Sadik richtig. »Ich ging ihm in vielen Dingen zur Hand und Ibn Al-Amid stand allen anderen Ärzten von Bagdad vor.«
    »Aber das habe ich ja gar nicht gewusst! Warum hast du mir nie davon erzählt, Sadik?«
    »Es gibt noch viele Seiten aus dem Buch meines Lebens, die du nicht kennst, Tobias«, antwortete der Araber mit einem leichten Lächeln. »Ich bin immer ein unsteter Geist gewesen und habe es nie lange an einem Ort ausgehalten. Bei Ibn Al-Amid hielt es mich nur so lange, weil er fast wie dein Vater war. Kaum war er mit mir zu einer Reise nach Damaskus aufgebrochen, da gingen ihm schon Pläne für einen Aufenthalt in Kairo durch den Kopf. Und überall war er ein überaus hochwillkommener Gast, umlagert von jungen Studenten und erfahrenen Ärzten.«
    Ein gequälter Schrei entrang sich den Lippen des Mädchens und ihr Gesicht verzerrte sich in sprachloser Pein.
    »Die Schmerzen werden stärker!«, stellte Heinrich Heller fest. »Du solltest ihr doch noch etwas geben.«
    Sadik nickte und öffnete ein längliches Sandelholzkästchen, das auf der Kommode neben dem Bett stand und das Tobias erst jetzt bemerkte. Wie er sah, war es in acht verschieden große Felder unterteilt, die offenbar mit Arzneien gefüllt waren. Aus einer der kleineren Unterteilungen nahm er zwei Kügelchen, die etwa so groß wie ein Kirschkern und von undefinierbar grünbrauner Farbe waren. Sie schienen porös zu sein.
    Sadik befeuchtete die Kuppe seines Zeigefingers mit etwas Wasser, rollte die Kugeln ganz kurz über die Kuppe und tat dann etwas, das Tobias vor Erstaunen den Mund aufsperren ließ: Er schob je ein Kügelchen in jedes ihrer Nasenlöcher! Dabei bediente er sich eines kaum daumenlangen Holzstäbchens, dessen Enden glatt und rund geschmirgelt waren. Vorsichtig schob er ihr die grün-braunen Kugeln so weit hoch, bis sie festsaßen, ohne dem Mädchen aber völlig die Luft zu nehmen.
    »Heiliger Antonius!«, stieß Tobias unwillkürlich hervor. »Du stopfst ihr die Nase zu?«
    Sadik lächelte. »Keine Sorge, die Schwämme lösen sich rasch auf. Sie werden ihr gut tun und ihr die Schmerzen nehmen«, beruhigte er ihn.
    »Was sind das für Schwämme?«, wollte Tobias wissen.
    »Es sind Narkoseschwämme, mein Junge«, erklärte ihm sein Onkel. »Die Schwammstücke sind mit dem Saft von Haschisch, Wicken, Bilsenkraut und Mandragora getränkt und in der Sonne getrocknet. Bei Gebrauch muss man sie nur etwas anfeuchten, wie du gesehen hast. Die Schleimhäute nehmen die narkotisierende Lösung auf und versetzen den Patienten in einen Tiefschlaf.«
    »Stimmt das, Sadik?«
    »Ja, so wirken Narkoseschwämme«, bestätigte der

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