Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Heller. »Umso verwunderlicher ist sein unangemeldeter Besuch hier. Aber wir werden ja gleich hören, was ihn zu uns geführt hat.«
Energische Schritte wurden auf dem Gang laut. Dann öffnete Lisette die Tür und meldete: »Herr von Zeppenfeld, Herr Professor!«
Heinrich Heller hatte sich erhoben, um den Besucher zu begrüßen. »Bitte, treten Sie doch näher, Herr von Zeppenfeld. Lisette, nimm unserem Gast doch bitte Hut und Umhang ab. Und bring uns heißen Tee! Eine Tasse Tee mit einem Schuss Rum wird Ihnen nach der ungemütlichen Fahrt gewiss genehm sein, nicht wahr?«
»Vorzüglichsten Dank, Herr Professor!« Armin von Zeppenfeld deutete eine zackige Verbeugung an und reichte dem Dienstmädchen seinen pelzbesetzten Umhang und Hut.
»Versichere Ihnen, dass ich Ihre Großzügigkeit, mich jetzt noch zu empfangen, sehr zu schätzen weiß. Wäre schon vor anderthalb Stunden hier gewesen, wenn mein Kutscher etwas heller im Kopf gewesen wäre. Selber schuld. Hätte mit aufpassen müssen. Wenn man will, dass etwas richtig geschieht, muss man es in die eigenen Hände nehmen. Stets meine Devise gewesen. Heute wieder bestätigt gefunden. Nochmals: Bedaure, Sie aus Ihrer verdienten abendlichen Mußestunde gerissen zu haben, verehrter Herr Professor!«
»Meine Muße ist Arbeit und meine Arbeit ist auch Muße«, erwiderte Heinrich Heller. »Und solange ich nicht im Schlafrock bin, ist das keine Affäre.«
»Zu freundlichst, Herr Professor.«
»Bitte, setzen wir uns doch vors Feuer.«
»Danke verbindlichst!«
Tobias hatte Armin von Zeppenfeld eingehend gemustert. Er war ein hoch gewachsener Mann von etwa vierzig Jahren und eine attraktive Erscheinung. Das volle schwarze Haar lag glatt und sorgfältig frisiert am Kopf, der gut einer klassischen Büste hätte Modell stehen können, wenn nicht dieser Backenbart gewesen wäre. Er zog sich bis zum Kinn hinunter und vereinigte sich mit einem gleichfalls vollen, aber sauber getrimmten Schnurrbart. Seine Gesichtszüge waren markant, wie auch die scharf geschnittene Nase und die Augenpartie. Der elegante dunkle Anzug, die weiße Hemdbrust und die Weste, die von derselben rauchgrauen Farbe war wie seine Krawatte, unterstrichen seine stattliche Erscheinung noch. Die Kleidung saß an ihm wie eine maßgeschneiderte Uniform. Irgendwie hatte er etwas militärisch
Zackiges an sich, was sich auch in seiner Art zu sprechen ausdrückte. Ein beeindruckender, aber doch auch merkwürdiger Mann!
Armin von Zeppenfeld begegnete nun seinem forschenden Blick und sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Der Filius meines Freundes Siegbert, nehme ich an«, sagte er in der ihm eigenen forschen und abgehackten Redeweise.
»Ja, das ist mein Neffe Tobias«, sagte Heinrich Heller.
Tobias reichte dem Besucher höflich die Hand.
»Ganz der Vater! Viel von dir gehört, mein Junge!« Sein Händedruck war so kurz und knapp wie seine Ausdrucksweise. »Ein prächtiger Mann, dein Vater! Musst stolz auf ihn sein, mein Junge!«
»Bin ich auch«, antwortete Tobias und wusste nicht, was er von ihm halten sollte.
»Aber nun setzen Sie sich erst mal und wärmen Sie sich ein wenig. Ah, da ist ja auch schon Lisette mit dem Tee. Tobias, sei so nett und bring uns doch bitte die Karaffe mit dem Rum. Sie steht da drüben, ja, ganz rechts.«
Armin von Zeppenfeld saß steif wie ein Ladestock auf dem Sessel und ließ sich über das Wetter aus, während Heinrich Heller Lisette wieder hinausschickte und das Eingießen selbst besorgte.
»Scheußlicher Regen. Die Straßen ein Meer von Schlamm und Pfützen. Wäre nicht vor die Tür gegangen, wenn ich nicht nach Freiburg müsste. Dringende Geschäfte. Können nicht warten. Zumindest erweckte das Schreiben meines dortigen Kompagnons selbigen Eindruck. Vermutlich alles halb so schlimm. Werden sehen!« Er lachte auf, kurz und trocken.
Heinrich Heller hatte ihnen einen Schuss Rum in den Tee getan. »So, Sie befinden sich also auf dem Weg nach Freiburg«, sagte er und wartete darauf, dass sein Besucher nun erklärte, warum er Falkenhof aufgesucht hatte.
Arnim von Zeppenfeld nickte, trank einen Schluck und sagte dann: »Fand die Gelegenheit günstig, Ihnen einen Besuch abzustatten, Herr Professor. Prächtiges Landgut, der Falkenhof. Auch bei diesem scheußlichen Wetter. Wollte eigentlich schon vor Monaten Reise unternehmen, doch meine Geschäfte ließen es nicht zu.«
»Schade, dann hätten Sie noch meinen Bruder angetroffen«, warf Heinrich Heller ein. »Siegbert
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