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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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die für einen so schweren Kopf viel zu klein schienen. Und bevor Tobias noch etwas antworten konnte, fuhr er munter fort: »Ein kleiner Spaß, nichts weiter. War dabei, mich ein wenig in Schwung zu bringen und für die erste Vorstellung aufzuwärmen. Das mache ich jeden Morgen. Ein paar Mund voll Höllenfeuer und der Tag kann so schlecht gar nicht mehr werden.«
    »Oh, Sie sind also ein Feuerschlucker«, sagte Tobias und kam sich dabei unsäglich dumm vor.
    »So ist es, mein Junge. Ursus, der Feuerschlucker und Kettensprenger, so nennt man mich«, stellte er sich leutselig vor, wirbelte die brennende Fackel in wahnwitziger Geschwindigkeit gut ein halbes Dutzend Mal um die Finger seiner Hand, warf sie hinter seinem Rücken hoch, fing sie mit der linken Hand in seinem Nacken auf und warf sie neben sich in eine Tonne, wo sie zischend im Wasser erlosch.
    Staunend hatte Tobias dieses rasante Kunststück verfolgt.
    »Und du musst Bostia sein, der neue Gehilfe von Jana«, begrüßte ihn Ursus und reichte ihm seine Hand, die so groß wie eine Löwenpranke war. »Freut mich dich kennen zu lernen, mein Junge. Werden bestimmt gut auskommen. Der Zirkus braucht junge Leute so wie ich Feuer und Eisen.«
    Tobias zögerte, denn er fürchtete, dieser Feuerschlucker und Kettensprenger könnte ihm mit einem gedankenlosen Händedruck alle Finger brechen.
    »Keine Sorge, mein Junge, ich reiß’ dir schon nicht die Hand ab«, versicherte Ursus lachend, als könnte er Tobias’ Gedanken lesen. »Zum Berserker werde ich erst, wenn ich da drüben auf dem Podest stehe um Melli Meller, dem Schlitzohr, die Gaffer ins Zelt zu treiben.« Er deutete mit dem Kopf auf das große, aber schon recht verschlissen wirkende Zelt, über dessen Eingang ein grellbuntes Schild mit der Aufschrift prangte: Melchior Meilers unglaubliches Monstrositäten-Kabinett. Die Wohnwagen, die am hinteren Teil des Zeltes aufgereiht standen, hatten gleichfalls schon mal bessere Zeiten gesehen.
    Tobias verlor nun seine Scheu und schlug ein. Dieser Ursus gefiel ihm. Er hatte etwas lustig Lebensfrohes an sich und das humorvolle Blitzen seiner Augen erinnerte ihn an den verschmitzten Gesichtsausdruck seines Onkels, der alles andere als ein trockener Gelehrter und Büchernarr war. »Sie arbeiten also im Monstrositäten-Kabinett?«
    »Die netten Monster sind im Zelt, mein junger Freund. Ich bin sozusagen der Köder, Melli Meilers Stimmungsmacher und Anreißer, der die Leute dazu bringt, erst mal stehen zu bleiben und sich seine Sprüche anzuhören.«
    »Das werde ich mir nachher ganz sicher ansehen«, versprach Tobias.
    Ursus nickte erfreut. »Tu das, Bostia. Wirst so schnell keinen besseren Entfesselungskünstler finden, der es mit mir aufnehmen kann. Und was das Feuer betrifft, so hat sich bisher noch jeder das Großmaul verbrannt, und zwar buchstäblich, der gegen mich angetreten ist«, erklärte er voller Stolz und schlug sich dabei mit der Faust auf die Brust. »Ich stecke eine Kerze auf acht Schritt Entfernung in Brand – und nur der Teufel persönlich kann mich in diesem Wettkampf aus dem Rennen werfen. Doch der hat es ja weniger auf Kerzenlichter als auf Lebenslichter abgesehen, hahaha!« Sein Gelächter dröhnte weithin über den Platz.
    Tobias fand sein Lachen ansteckend.
    Als Ursus sich wieder eingekriegt hatte, sagte eine Stimme hinter Tobias anzüglich: »Ja, du bist ’n ganz Feuriger. Du hast nur vergessen dem Kleinen zu erzählen, dass du Zeltverbot bekommst und dir ’nen Eisenpfropfen hinten reinstecken musst, wenn du Blähungen hast, weil sonst die Gefahr besteht, dass der schäbige Fetzen Leinwand in Flammen aufgeht!«
    »Und dir müsste man da oben einen Pfropfen reinstecken, Iwanowitsch, damit man sich dein dämliches Gesabbel nicht den ganzen Tag anhören muss«, sagte eine zweite Stimme bissig.
    Tobias drehte sich nach den Stimmen um – und im nächsten Moment fuhr ihm der Schreck in alle Glieder. Nur mit Mühe konnte er einen Schrei unterdrücken.
    Vor ihm stand eine Gestalt wie aus einem seiner schlimmsten Alpträume: zwei Köpfe und zwei Hälse, die aber nur einen Körper mit zwei Armen und Beinen hatten. Und diese Gesichter, die herbe Züge trugen, beachteten ihn gar nicht, sondern funkelten sich gegenseitig wütend an. Er brauchte einige Sekunden um seine Fassung wiederzugewinnen und sich darüber klar zu werden, dass er es mit siamesischen Zwillingen zu tun hatte, die an den Schultern zusammengewachsen und dazu verdammt waren, miteinander zu

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