Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
mehrere Regale mit Büchern sowie ein halbes Dutzend Käfige aus Weidengeflecht mit bunten Singvögeln vorfinden würde. Ein helles, fröhliches Gezwitscher begrüßte sie.
Ursus lachte über sein verdutztes Gesicht. »Überrascht?«, fragte er.
»Kann man wohl sagen!«
»Ein gutes Buch ist so treu wie ein verlässlicher Freund, auf den man stets zurückgreifen kann. Doch die treuesten Freunde des Menschen sind die Tiere. Ihnen ist alles Schlechte von Natur aus fremd«, erklärte Ursus, holte zwei Steingutbecher hervor und nahm eine Kanne von einem ofenähnlichen Eisenkasten, der wohl mit Glut gefüllt war, denn der Kaffee floss schwarz und dampfend in die Becher.
Tobias trank den Kaffee, der wahrlich ein Muntermacher ganz eigener Güte war, in kleinen Schlucken. Er genoss die Gesellschaft und Redseligkeit dieses merkwürdigen Mannes, der sein Geld als Feuerschlucker und Kraftmensch verdiente, sich aber gleichzeitig der liebevollen Pflege und Freundschaft von Singvögeln verschrieben hatte und gute Bücher liebte.
»Sosehr sie mir manchmal auch auf die Nerven gehen mit ihrem ewigen Gezänk, die Zwillinge können einem Leid tun«, sagte Ursus in Bezug auf Petrowitsch und Iwanowitsch. »Für sie gibt es nur ein Leben in einem solchen Monstrositäten-Kabinett. Eine Laune der Natur hat sie dazu verdammt, sich als Abartige begaffen zu lassen.«
»Es muss schrecklich sein, so leben zu müssen«, pflichtete Tobias ihm bei.
»Ja, vor allem keine Wahl zu haben, mein Junge«, sagte Ursus. »Sollte Melier sie tatsächlich einmal auf die Straße setzen, ist ihr Leben so viel wert wie ein Büschel Sauerampfer. Besonders auf dem
Land, wo man sie für alles Mögliche verantwortlich macht, wenn man sie sieht. Ein missgeborenes Fohlen oder eine Kuh, die plötzlich keine Milch mehr gibt, und die Dörfler sind schnell bei der Hand, solch eine angebliche Ausgeburt des Teufels, die den bösen Blick hat, auf irgendeinem Acker zu steinigen.«
Tobias erschauerte.
»Aber reden wir von erfreulicheren Dingen«, wechselte Ursus das Thema. »Was hat dich und deinen indischen Freund zu uns getrieben? Ist er wirklich ein Schlangenbeschwörer? Jana hat mir erzählt, dass man euch in Oppenheim euren Wagen mit euren Tieren und Kostümen gestohlen hat.«
Tobias war froh, dass Ursus ihm die richtige Antwort schon in den Mund legte und er diese Geschichte, die Jana ihm aufgetischt hatte, nur noch zu bestätigen brauchte. »Ja, so ist es. Viel ist uns nicht geblieben.«
Ursus schüttelte betrübt den Kopf. »Ein harter Schlag. Wird schwierig sein, diesen Verlust wieder zu ersetzen. Ja, es sind wahrlich unsichere Zeiten, mein Junge, und man muss immer mit dem Schlimmsten rechnen um gewappnet zu sein.«
Durch das kleine Fenster sah Tobias, dass Jana über den Platz ging. Das enthob ihn glücklicherweise weiterer Erklärungen. »Da ist Jana! Mal sehen, was der Verkauf gebracht hat. Besten Dank für den Kaffee, Ursus!«
»War mir ein Vergnügen, Bostia. Wenn dir mal nach einem Schwatz mit mir oder meinen gefiederten Freunden zumute ist, du bist uns jederzeit willkommen.«
Janas magisches Spiel
Tobias sprang aus dem Wagen und lief zu Jana hinüber. »Warum habt ihr mich nicht geweckt?«
»Du hast so tief und fest geschlafen, dass ich es einfach nicht übers Herz gebracht habe«, erklärte sie. »Wie ich sehe, hast du Ursus schon kennen gelernt.«
»Und die siamesischen Zwillinge.«
Sie verdrehte die Augen. »Petrowitsch und Iwanowitsch! Das war bestimmt weniger nett, oder?«
»Ich dachte, ich erlebe einen Alptraum!«, gestand er.
»Ja, das Gefühl habe ich auch immer wieder.«
»Sag mal, hast du die Idee mit dem Anagramm gehabt?«, wollte Tobias wissen.
»Anagramm? Was ist das?«
»Ein Buchstabenrätsel, also die Buchstaben so umzustellen, dass aus Tobias Bostia wird – und aus Sadik Dakis, der indische Schlangenbeschwörer«, sagte er leise, damit sie auch niemand hören konnte.
»Dass man so etwas Anagramm nennt, habe ich nicht gewusst, aber was dabei rausgekommen ist, ist tatsächlich auf meinem Mist gewachsen. Ich hoffe, es stört dich nicht«, sagte sie, besorgt über seinen Kopf hinweg eine Entscheidung getroffen zu haben, die ihm möglicherweise missfiel.
Tobias lachte. »Nein, überhaupt nicht. Ich finde, dass das eine gute Idee von dir war. Nur wäre es besser gewesen, wenn ich davon gewusst hätte. Zum Glück ist Ursus kein sonderlich neugieriger Mensch. Meist hat er das Wort geführt, so dass ich von ihm von
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