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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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schreiben, Bilder zu malen oder Musik zu komponieren gediehen waren, vermochten Tobias, Jana und Sadik nicht zu beurteilen. Was jedoch ihr skurriles Benehmen anging und ihr egozentrisches Auftreten, da war ihre Begabung ins Auge fallend und wahrhaft meisterlich zu nennen.
    Gerold Leu, ein vollbärtiger Buchverleger aus der Schweiz von fast schon zwergenhaftem Wuchs, der Benitas Balladen-Epos Undine zu verlegen gedachte, gehörte dabei schon zu den eher seriösen Gästen. Immerhin hatte er schon ein paar Bändchen Lyrik verlegt, wenn auch mit mäßigem Erfolg. Dass er bei Ausflügen mit der Kutsche alle paar Minuten anhalten ließ, weil er das ›Eingeschlossensein‹ nicht länger ertragen konnte und um seine Gesundheit fürchtete, und dass er dann eine Weile neben der Kutsche gestenreich und prustend herlief, hielt Tobias für den Tick eines Mannes, der stets im Mittelpunkt stehen musste. Doch diese Effekthascherei war harmlos – im Vergleich etwa zu dem Dramatiker, der behauptete, dass ihm jemand aus dem Reich der Toten die Feder führe (er sah so ausgemergelt aus, dass man eher der Behauptung, er selbst wäre aus dem Reich der Toten zu Besuch erschienen, mehr Glauben hätte schenken können!), dem Maler mit dem irren Blick, der Blut in seine Farben mischte, und dem jungen Komponisten, der immer erst eine Flasche Absinth leeren musste, bevor er seine zitternden Hände unter Kontrolle hatte und dann buchstäblich über das Klavier herfiel um sogar die musikalische Gewalttätigkeit des Gastgebers noch in den Schatten zu stellen. Nicht weniger anstrengend war es, dem Poeten Derrösch beim Rezitieren zuzuhören. Denn nicht allein, dass seine Verse von unsäglicher Bedeutungslosigkeit waren, nein, er stotterte auch noch entsetzlich, als raubten ihm die eigenen hohlen Worte den Atem, was seinen Darbietungen beinahe den Charakter einer Selbstgeißelung gab – für alle Beteiligten. In diesem Tollhaus nahmen sich die Detmers, obwohl selbst nicht gerade der Normalität zuzuordnen, wie ein Fels in der Brandung aus.
    »Nicht eine Nacht verbringe ich in diesem Haus der Wirrköpfe!«, verkündete Sadik, kaum dass sie ein paar Stunden diese ungewöhnliche Gastfreundschaft genossen hatten.
    »Sag bloß, du fühlst dich hier nicht wohl?«, erklärte Tobias und tat ahnungslos, doch in seinen Augen blitzte ein spöttischer Ausdruck. »Weißt du, irgendwie erinnert mich das hier fast an den Jahrmarkt.«
    »In der Tat!«, knurrte Sadik. »Dieser Melchior Meiler könnte sich hier ein völlig neues Kabinett zusammenstellen! Gegen diesen Maler und den Schreiberling aus dem Totenreich ist Ursus doch ein blasses Licht – und die siamesischen Zwillinge geradezu die liebreizende Krönung einer jeden Gesellschaft!«
    »Das klingt ja fast so, als hättest du tatsächlich etwas gegen das Künstlervolk einzuwenden«, stichelte Jana nun.
    Sadik warf ihr einen finsteren Blick zu. »Gar nichts habe ich einzuwenden. Ich werde nur inständig zu Allah beten, dass er mir diese schwere Prüfung nicht allzu lange auferlegt und uns Jakob bald schickt – möglichst noch heute!«
    Sadik beharrte darauf, außerhalb des Hauses zu nächtigen. Er war jedoch so höflich, seine beduinischen Gewohnheiten sowie religiöse Gründe vorzuschieben, warum er das ihm angebotene Zimmer ausschlug.
    Seine starre Haltung ermöglichte es Jana und Tobias, es ihm gleichzutun und die Nächte wie gewohnt im Wohnwagen zu verbringen, den sie so weit wie möglich hinter dem Haus im verwilderten Garten zwischen zwei laubreichen Eiben abstellten.
    »Gern würde ich Ihr Angebot im Haus zu schlafen annehmen, aber aus Freundschaft möchten wir ihm da draußen doch besser Gesellschaft leisten«, sagte Tobias scheinbar bekümmert zum Musikus, der für diese Eigenart seiner neuesten Gäste genauso viel Verständnis aufbrachte wie für die Eskapaden seiner Künstlerkollegen, die er unter seinem Dach beherbergte.
    Den Detmers erzählten sie nur so viel von den Ereignissen der vergangenen Wochen und Monate, wie sie unbedingt wissen mussten, um zu verstehen, warum sie auf Jakob warteten und es vorzogen, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Sie berichteten ihnen von der Enttarnung des Geheimbundes und Onkel Heinrichs Einkerkerung, was die Detmers mit tiefer Betroffenheit und ohnmächtigem Zorn aufnahmen. Zeppenfeld erwähnten sie jedoch nur beiläufig und schilderten ihn als Mann, der mehr oder weniger in Pizalla Auftrag handelte, auch wenn er noch ein privates Interesse daran hatte,

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