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Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken

Titel: Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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groß.«
    »Brennesseln, Tinte und Seife!« Tobias schüttelte in fassungslosem Staunen den Kopf. »Damit hast du eine siebenköpfige Bande Wegelagerer in die Flucht geschlagen! Das nenne ich wahren Mut – und Überwindung!«
    »Die beste Waffe des Menschen ist immer noch die Schärfe seines Verstandes, nicht die Schärfe einer Klinge«, bemerkte Sadik und schob eine Schüssel mit kaltem Wasser zwischen sie. »Kühl dir Hände und Gesicht, Jana. Danach versuchen wir es mit der Salbe. Möge Allah deinen Mut und deine Geistesgegenwart mit einer raschen Heilkraft meiner Salbe belohnen.«
    »Ja, dagegen hätte ich nichts«, gab sie zu und tauchte die Hände mit einem tiefen Seufzer in das Wasser. »Aber wir sind auch so schon belohnt worden, indem unsere Täuschung seinen Zweck erfüllt hat.«
    »Aiwa, Allah sei Dank!«, pflichtete Sadik ihr bei und begann dann die Salbe auf Gesicht und Hände aufzutragen. Er tat es mit einer Behutsamkeit, die fast schon an Zärtlichkeit grenzte.
    Tobias wünschte, er hätte etwas tun können um ihre Schmerzen zu lindern. So jedoch blieb ihm nichts anderes, als insgeheim mit ihr zu leiden. Es war eine neue Erfahrung, am eigenen Leib zu spüren, wie es war, sich als Bettler der Landstraße zu fühlen.
     

 
Warten auf Jakob
     
    Speyer erreichten sie einen Tag vor Ablauf der vereinbarten Frist. Das Haus des Musikus Claus Detmer zu finden war mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Schließlich aber bog der auffällige Wohnwagen in den Tannenweg ein, passierte die Schlosserwerkstatt des Peter Hille und hielt vor dem Haus des Künstlerehepaares, das am Ende der Häuserzeile mit dunklem Fachwerkgebälk in den leicht diesigen Junihimmel aufragte, idyllisch an einem munter plätschernden Bach gelegen und umschlossen von einem verwilderten Garten.
    Dramatisches Klavierspiel, das in Tobias unwillkürlich das Bild einer wilden Brandung erweckte, drang aus einem der offen stehenden Fenster – und übertönte sogar das Hämmern und Poltern aus der nahen Schlosserei.
    Sadik schaute mit zweifelndem Blick zum Fenster hoch und sagte halb spöttisch, halb besorgt: »Könnte man einen Menschen nach seinem Klavierspiel beurteilen, so würde ich den da für einen gewalttätigen Mann halten und ihm nur mit gezogener Klinge gegenübertreten!«
    Jana lachte. »Mhm, klingt wirklich so, als sollte da oben jemand mit Klaviermusik erschlagen werden«, stimmte sie ihm zu.
    »Dafür eignet sich auch keiner besser als Beethoven«, sagte Tobias lachend, der den Komponisten und sogar das Stück zu erkennen glaubte. Wenn er sich nicht täuschte, hieß es ›Die Wut über den verlorenen Groschen‹.
    »Das ist von Beethoven?« Jana sah ihn überrascht an, dass er in der Lage war den Komponisten zu benennen.
    Tobias nickte. »Karl Maria Schwitzing, mein Hauslehrer, war ein großer Verehrer von Beethoven.« Er verzog das Gesicht. »Nur stand seine Bewunderung leider in keinem guten Verhältnis zu seinen beschränkten Talenten am Klavier. Ihn hättet ihr mal hören sollen. Er tat dem Klavier und seinen Zuhörern tatsächlich Gewalt an!«
    »Ich hoffe, unser Musikus versteht sich auch auf die mehr beruhigenden Werke eines Mozart«, meinte Sadik trocken und tat einen tiefen Seufzer, als das Klavierspiel jäh abbrach. »Sonst wird mir der Tag zum Alptraum.«
    »Vielleicht ist Jakob Weinroth ja schon da. Dann brauchen wir uns hier erst gar nicht lange aufzuhalten«, erwiderte Tobias leise.
    Tobias war den ganzen Tag in Sorge gewesen, ob sein Onkel die
    Dauerhaftigkeit seiner Freundschaft zu diesem Musikus und seiner lyrisch veranlagten Frau nicht vielleicht doch überschätzt hatte. Denn immerhin hatten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen, und fast Wildfremden Obdach und Schutz zu gewähren, war etwas, was noch nicht einmal unter Künstlern zum selbstverständlichen Alltag zählen dürfte.
    Mit diesen Bedenken schwang er sich vom Kutschbock, als die Haustür schwungvoll aufgerissen wurde und ein schlanker, hochgewachsener Mann in den Vierzigern vor das Haus trat. Er war in schwarze Tuchhosen und Rock gekleidet, deren Stoff an vielen Stellen schon den starken Glanz peinlichst gepflegter, aber abgetragener Kleidung aufwies. Auch der weiße Hemdkragen war zwar makellos sauber, doch sichtlich abgescheuert. Eine scharfgeschnittene Nase und lebhafte Augen beherrschten sein schmales Gesicht, das in eine hohe Stirn überging. Die schwarzen, streng nach hinten gekämmten Haare trug er im Nacken zu einem kurzen Zopf

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