Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
ihrer habhaft zu werden. Was aber den Falkenstock und das Rätsel um das verschollene Tal betraf, so sagten sie darüber nicht ein Wort.
Die Verfolgung durch Zeppenfeld bot ihnen eine dankbare Entschuldigung, warum sie es vorzögen, den größten Teil des Tages unter sich und fern des Hauses zu bleiben. Doch nicht immer konnten sie sich der Aufforderung ihrer Gastgeber verschließen, an dieser oder jener Zusammenkunft teilzunehmen. Die musikalischen Darbietungen des Musikus ließen sich dabei noch am besten verkraften, auch wenn er zu Sadiks Enttäuschung Mozarts Kompositionen bestenfalls als Kaffeehausmusik gelten ließ.
Doch nach einem Lyrikabend hörte Tobias seinen Freund hinter dem Wohnwagen zu Allah beten: »O Herr, warum sendest du ihnen nicht ein Zeichen vom Himmel herab, unter welches sie ihren Nacken demütig beugen und ihre Lippen auf ewig verschließen müssten?«
Tobias lachte darüber. Doch das Lachen verging ihm und wurde zu wachsendem Groll, als die Tage verstrichen, ohne dass Jakob zu ihnen stieß, und der stotternde Dichter Jana schmachtende Blicke zuwarf.
Als Jana ihm dann amüsiert ein Gedicht zeigte, das der lausige Verseschmied ihr gewidmet hatte, platzte ihm beinahe der Kragen.
»Für wen hält sich dieser Schmierer überhaupt?«, verschaffte er seinem Unmut bei Sadik Luft, als er mit ihm allein war. »Nicht genug damit, dass er sie mit seinen schwülstigen Stolperreimen belästigt, nein, er scharwenzelt auch ständig um sie herum und wirft ihr anzügliche Blicke zu! Langsam reicht es mir!«
»Höre ich Eifersucht aus deinen Worten heraus, mein Junge?«, fragte Sadik spöttisch.
Tobias ärgerte sich, dass er gegen seinen Willen errötete. Er konnte sich tatsächlich von einer gewissen Eifersucht nicht freisprechen, auch wenn er es nie und nimmer zugegeben hätte. »Eifersucht? Dummes Zeug! Mir geht das Getue dieses Lackaffen auf die Nerven!«
»So erging es mir schon am Tag unserer Ankunft und es ist seitdem nicht besser geworden«, erwiderte Sadik.
»Das ist nun schon der fünfte Tag, den wir hier vertrödeln, ohne dass eine Nachricht von Jakob eingetroffen ist«, stellte Tobias verdrossen fest. »Ich bin dafür, dass wir unsere Zelte abbrechen und unten im Süden, an der französischen Grenze, auf ihn warten. Was meinst du?«
»Ich glaube auch nicht mehr daran, dass er noch kommen wird«, pflichtete Sadik ihm bei. »Wenn er es hätte schaffen können, wäre er längst eingetroffen. Sollte er Falkenhof erst jetzt verlassen haben, wird er sich den Abstecher nach Speyer sparen, weil der vereinbarte Zeitpunkt schon um mehrere Tage verstrichen ist. Und wenn wir noch rechtzeitig den Gasthof von Vierfinger-Jacques erreichen wollen, wird es Zeit, dass wir wieder auf die Landstraße ziehen.«
Sie besprachen sich wenig später noch einmal mit Jana, die ihre Einschätzung voll und ganz teilte und es ebenfalls nicht erwarten konnte, Speyer den Rücken zu kehren und nach Süden weiterzuziehen.
Schon am nächsten Morgen, beim ersten Licht des Tages, verabschiedeten sie sich vom Musikus und seiner Frau, die sie nur sehr ungern ziehen ließen. Sie bestanden darauf, sie mit reichlich Proviant zu versorgen, als planten sie eine Expedition in die Wildnis.
Als Speyer mit seinen Türmen und Mauern hinter ihnen zurückfiel und zu einer reizvollen Kulisse in der Ferne zusammenschrumpfte, die Sonne warm vom Himmel lachte und Napoleon auf der Landstraße in seinen gemächlichen, aber beständigen Trott fiel, atmeten sie befreit auf. Und Sadik sprach Jana und Tobias aus der Seele, als er mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung feststellte: »Sich mit der Axt zu rasieren und in einem Dornenbusch zu schlafen ist manchmal leichter zu ertragen als die Gefälligkeiten der Leute, derer man sich nicht erwehren kann!«
Die Axt und der Kahn
Der Himmel hing erdrückend tief über dem Schwarzwald. Blitze zuckten mit gleißender Helle aus den dunklen, regenschweren Gewitterwolken, der Donner krachte und rollte über das Land.
Mensch und Tier verkrochen sich in den Schutz ihrer Behausungen und warteten auf den Regen, der folgen musste. Denn die Luft war von einer unerträglich schweren Feuchte, als wäre der ganze Landstrich eine einzige Waschküche ohne Abzug. Als der Regen endlich sintflutartig vom Himmel herabstürzte und den Schweiß und Staub der vergangenen heißen Tage vergessen ließ, ging ein Aufatmen durch die Natur, und in den Häusern wurde das wilde Trommeln auf die Dächer mit derselben
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