Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
meinte, brauchte sie nicht zu erklären. Es klang auch nicht wie eine Frage, eher wie eine Feststellung, in der, wenn überhaupt, nur eine winzige Hoffnung mitschwang.
Brunner verstand Irmis Feststellung als Frage oder fühlte sich zu einer positiven Motivation aufgerufen, vermutlich lernte man das in der Polizeischule. Aber es tat allen gut, als er sagte: »Ganz so weit sind wir noch nicht. Der oder die Täter – unsere Kriminaltechniker sprachen von wenigstens zwei Tätern – haben Walcher mitgenommen, weil sie ihn gegen etwas austauschen wollen. Geld oder ihre Freiheit, vermutlich beides. Davon bin ich felsenfest überzeugt!« Brunner sprach mit großer Überzeugung und hieb bei jedem Wort mit dem Zeigefinger zur Bestätigung durch die Luft. »Sonst hätten sie Walcher nicht mitgenommen, sondern einfach liegen gelassen.«
Dunkelheit
In der Übergangsphase zwischen Traum und Wirklichkeit spielte die Regie seines Gehirns Bilder von blühenden Obstwiesen ein, als handle es sich um einen Werbeblock im Fernsehen. Vermutlich lag es an dem intensiven Apfelgeruch, dachte Walcher, als er in der Wirklichkeit angekommen war.
Sein Kopf schmerzte, besonders am Hinterkopf. Dort pochte der Schmerz im Takt seines Pulsschlags. Sehen konnte er nichts, konturlose Schwärze umgab ihn. Es war kühl dort, wo er sich befand, und fühlte sich verdammt hart an, ein Bett war es jedenfalls nicht. Er saß auch nicht, sondern lag mehr, halb angelehnt an einer Wand. Unbequem, hart, kalt und dann auch noch das Pochen im Kopf. Hatte er gesoffen und sich geprügelt? Walcher versuchte, seine trägen Gedanken zu sortieren. Die Garage, die Schraube fielen ihm ein, und dann das grelle Licht. Danach kam nichts mehr, sosehr er sich auch anstrengte, es blieb schwarz, so wie die Dunkelheit jetzt um ihn herum.
Er wollte nach dem pochenden Hinterkopf tasten, aber seine Hände hingen fest.
Seine Finger ertasteten ein Rohr oder eine Stange und eine Kette, eine Handschelle, wie neulich in Frankreich und Italien. »Häuft sich allmählich«, sprach er in Gedanken zu sich, »sieht nach Entführung aus. Verdammte Scheiße.«
Vorsichtig zog er die Beine an, drehte sich auf eine Seite und kniete sich hin. Tastend ließ er die Hände an dem Rohr auf und ab gleiten. Das Rohr führte in den Boden hinein. In einen Boden aus rauem Beton. Der Apfelgeruch. Ein Vorratskeller, überlegte Walcher. Dann streckte er seine Hände so weit nach oben, wie er konnte, und hielt sich an dem Rohr fest. Langsam, erst mit dem einen Bein, dann mit dem anderen, stand er auf, reckte sich hoch, kam aber nicht an das Ende des Rohrs heran oder an die Decke, weil ihn eine Rohrschelle in der Mauer daran hinderte. Abwechselnd tastete er, so weit er konnte, mit den Beinen im Raum umher. Leere, nichts. Walcher trippelte auf der Stelle, um seinen Kreislauf anzuregen, gab es wegen des pochenden Schädels aber sofort wieder auf. Er hatte einen Schlag auf die Rübe bekommen, so viel war ihm klar, dann war er anscheinend in diesen dunklen Keller verschleppt worden, in dem Äpfel lagerten.
Langsam ließ er sich wieder auf den Boden sinken und setzte sich hin. Irmi würde Brunner anrufen, dachte er, und der würde nach ihm suchen lassen. Aber wo sollte er suchen? Die Uhr mit dem Peilsender hatte er Brunner zurückgegeben. Seine Lage als kritisch zu bezeichnen, war sicher nicht übertrieben, stellte er fest. Wer hatte ihn gekidnappt und warum? Bevor er das nicht wusste, brauchte er sich nicht sein angeschlagenes Gehirn zu zermartern, da konnte er ebenso gut schlafen. Obwohl es dunkel war, schloss er die Augen, im Schlaf verbrauchte er wenig Kalorien, vielleicht musste er hier ausharren, bis er durch Zufall gefunden wurde. Einige Fälle von Entführungen fielen ihm ein, allerdings nur diejenigen, bei denen die Retter einige Tage zu spät gekommen waren.
Walcher spürte, wie der Boden ganz leicht vibrierte, und dachte an Erdbeben, Straßenbahn, U-Bahn und Deutsche Bahn. Vielleicht lag er ja in der Nähe einer Bahnlinie. Eigentlich wollte er sich überlegen, wo im Allgäu Züge fuhren, aber da war er schon eingeschlafen.
Dr. Lena Hein
Der Kurzurlaub hatte ihr nicht die erhoffte Erholung gebracht, im Gegenteil. Aus dem vereinbarten Treffen mit ihrem Freund war nichts geworden, stattdessen hatten sie sich am Telefon heftig gestritten. Lena Hein mochte ihren Freund sehr. Auf einer Skala hätte sie den Grad ihrer Zuneigung ziemlich weit oben eingestuft, kurz vor Liebe. Nicht ganz Liebe, aber doch
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