Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
vermutete Rolli, weshalb er sich auch nicht umsah, sondern nur meinte: »Schade, dass du mir nicht helfen kannst.«
Den völlig überraschenden Schlag auf seinen Kopf nahm Walcher wahr, als befände er sich im Zentrum einer heftigen Explosion. Die Sammelkiste für Kleinteile auf der Werkbank verwandelte sich kurz in ein überbelichtetes Negativ und verschwand in einem gleißenden, grellen Licht. Damit endete Walchers Wahrnehmung seiner Welt erst einmal.
Als Irmi eine Stunde später zusammen mit ihrem Freund Thomas auf den Hof geradelt kam, rief sie nach einem kurzen Rundgang im Haus sofort Brunner an. Die Haustür stand offen, und Rolli, anstatt ihr wie sonst entgegenzuspringen, lag apathisch in der Küche und winselte nur leise. In allen Räumen hatten offensichtlich Vandalen gehaust, alles durchwühlt, aus den Schränken gerissen und die Schubladen auf den Fußboden geleert. Selbst die Betten waren aufgeschlitzt. Besonders in der Küche hatte sich jemand ausgetobt. Wie nach einem Polterabend türmte sich auf dem Boden ein riesiger Scherbenhaufen aus Tellern, Tassen, Gläsern und Schüsseln.
Nur in Walchers Arbeitszimmer war man anscheinend systematisch vorgegangen, hatte die Ordner durchgesehen und sogar in die Regale zurückgestellt. Allerdings fehlte der Computer. Irmi hatte das Haus bereits zwei Mal zuvor in einem ähnlichen Chaos erlebt, darum befürchtete sie das Schlimmste, denn Walcher war nirgends zu finden. Sein Wagen stand im Hof, und sein Schlüsselbund lag neben dem Telefon. Niemals hätte er ohne Schlüssel das Haus verlassen. Wegen Rolli rief Irmi Opa Armbruster an, der versprach, sofort mit dem Tierarzt zu ihr zu kommen.
Es dauerte bange fünfzehn Minuten, bis der Tierarzt eintraf, Rolli kurz untersuchte, ihn dann in sein Auto packte und wieder abfuhr.
Irmi wäre lieber mitgefahren, aber das durchwühlte Haus und die Frage, was mit Walcher geschehen war, gingen vor. Auch hatte sie der Arzt mit seiner ersten Diagnose etwas beruhigt. Vermutlich war Rolli nur ein harmloses Betäubungsmittel verabreicht worden. Um allerdings ganz sicherzugehen, wollte er einige Labortests machen, und dafür musste er Rolli mitnehmen.
Dann standen Opa, Irmi und ihr Freund vor dem Haus und warteten auf die Polizei. Irgendwie fühlten sie sich im Haus nicht so ganz wohl, als ob von den Einbrechern noch eine Bedrohung ausging. Irmi lief hoffnungsfroh in den Hausflur, als das Telefon klingelte, aber es war weder Walcher noch der Tierarzt, es war Johannes. Und es tat ihr gut, ihm zu erzählen, was vorgefallen war.
Johannes übertrug auf Irmi selbst durch das Telefon seine scheinbar durch nichts zu beeinträchtigende Ruhe, denn nach dem Gespräch wirkte sie wesentlich ruhiger.
»Johannes setzt sich ins Auto und kommt rüber«, berichtete sie freudestrahlend Opa Armbruster und ihrem Freund, »wir sollen uns keine Sorgen machen, ist ja nicht das erste Mal.«
Trotz der unsicheren Situation musste sie lächeln und hatte Johannes’ schweizerdeutschen Dialekt gekonnt nachgeahmt.
Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis die Polizei auf den Hof gerast kam. Brunner vorneweg in seinem Privatwagen, gefolgt von zwei Einsatzfahrzeugen der Kripo und einem Streifenwagen der Polizei. Nach einem kurzen Bericht von Irmi begannen die Beamten mit der Spurensuche.
Brunner
Damit die Spurensicherung in Ruhe ihre Arbeit machen konnte, fuhr der Kommissar Irmi samt Freund und Opa auf dessen Hof. Irmi wollte zwar unbedingt zu Hause bleiben, doch sie hatte sich überzeugen lassen mitzufahren, vor allem, weil der Tierarzt seine Praxis in der Nähe von Opa Armbrusters Hof hatte. Schon auf dem Rückweg zu Walchers Hof telefonierte Brunner unentwegt und kurbelte die Fahndung nach Walcher an.
Für den Kommissar ergab eine Entführung keinen Sinn. Russische Menschenhändler entführten keinen Journalisten, sie legten ihn einfach um. Oder waren andere Recherchen der Grund für sein Verschwinden? Wer wusste schon, an welchen explosiven Themen er noch dran gewesen war? Brunners Gedanken fuhren Achterbahn. Der Anruf aus Berlin, die Razzien, die Russin, Walchers Visitenkarte, irgendwie erschien dem Kommissar alles logisch. Es musste sich um dieselbe Organisation handeln. Der Anruf lag ja schon einige Zeit zurück, vielleicht handelte es sich um einen Killer, der nur seinen Auftrag noch abwickeln wollte, obwohl die Auftraggeber schon gefasst waren. Brunner dachte an die Razzien im Burgund, in Berlin und dann in ganz Deutschland, und überall war man auf
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