Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Wolfgang Hoffmann alias Robert Walcher.«
»Wenn Sie das wissen«, lächelte Walcher ihn wie einen ersehnten Retter an, »dann müssen Sie Kommissar Neumann sein.«
»Richtig, ich bin Frider Neumann, sozusagen das französische Pendant zu Kommissar Brunner.«
»Kompliment, soweit ich das erlebt habe, lief Ihr Einsatz sehr professionell ab«, schmeichelte Walcher, schließlich konnte man ja nie wissen.
»Danke. Ja, ich bin auch sehr zufrieden. Wir haben lediglich einen Ausfall. Ein gewisser Maurice Delwar. Er hat wohl zu viele Kriminalfilme geschaut und kannte auch meine Anordnung nicht, bei einer Bedrohung erst zu schießen und danach Fragen zu stellen.«
»Ist er …?«
»Ja, er ist tot«, bestätigte Kommissar Neumann, zog sein Hemd etwas aus der Hose und putzte damit seine Hornbrille. »Kommissar Brunner hat mich darüber informiert, dass Sie Journalist sind, und zwar einer, der sich besonders heiße Kartoffeln aus dem Feuer holt.« Neumann hatte die Brille wieder aufgesetzt und lächelte Walcher an. Er war mittelgroß und wog ein paar Pfund zu viel. Seine dichten schwarzen Haare trug er kurz und mit exaktem Scheitel, sein Oberlippenbart war adrett gestutzt. Das rundliche Gesicht strahlte Genussfreude und Gemütlichkeit aus, nur passte dazu nicht recht der stechende Blick seiner dunklen Augen. Vielleicht waren an diesem Eindruck aber auch nur die Brillengläser schuld, dick wie Glasbausteine. Neumann trug die gleiche Uniform wie die Männer des Einsatzkommandos, schwarzes Militärhemd, dazu eine ebenfalls schwarze Hose mit einer Menge Taschen, Gurten und Schnallen.
»Meine Kollegen sind gerade unterwegs und holen Ihren Freund, er wird gleich hier sein. Sie können dann wieder nach Deutschland zurückfahren.«
»Wo sind wir hier, in einem Gefängnis?«, wollte Walcher wissen.
»Diese Anlage gehörte früher der Fremdenlegion, heute wird sie nur mehr selten genutzt und wenn, dann für Einsätze wie den heutigen. Wir befinden uns hier in der Nähe von Digoin. Falls Sie sich für einen Bootsurlaub auf Wasserwegen interessieren: Hier laufen drei Kanäle zusammen.«
Walcher nickte und wollte schon Interesse für einen Urlaub auf einem Kanalboot heucheln, vielleicht war der Kommissaar ja ein Freizeitkapitän, da ging die Tür auf und ersparte ihm die Antwort. Johannes wurde in den Raum geführt. Auch ihm nahmen die Polizisten die Handschellen ab. Johannes lächelte zwar, aber es war mehr eine aufgesetzte Grimasse.
»Meine Herren«, der Kommissar gab sich förmlich, »ich sage Ihnen im Namen meines Landes herzlichen Dank. Noch wissen wir nicht, welche Fische wir mit Ihrer Hilfe an Land gezogen haben, aber das wird sich in den nächsten Stunden und Tagen herausstellen. Allein die Tatsache, dass wir sechs Mädchen und einen Jungen zu ihren Eltern zurückbringen können und vor einem grausamen Schicksal bewahrt haben, werte ich als einen großen Erfolg. Ich habe selbst eine zwölfjährige Tochter, und wenn ich daran denke, dass diese Veranstaltungen regelmäßig stattgefunden haben …« Neumann spielte seine Emotionen nicht, sondern war ehrlich betroffen. »Und wissen Sie, ich schäme mich. Ich schäme mich, dass diese Ungeheuerlichkeit hier vor unserer Haustür geschehen konnte. Es ist … unfassbar. Hier in unserem Burgund … wurden Kinder verkauft, wie … wie Ware, wie Tiere. Das ist … ich habe dafür keine Worte. Und dass dabei zivilisierte Menschen mitmachen, erwachsene Männer, Väter …«
Neumann brach mitten im Satz ab, drehte sich um, nahm die Brille ab und schien sie zu putzen. Dann schnäuzte er sich laut. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gefasst hatte und sich Johannes und Walcher zuwandte.
»Entschuldigen Sie bitte. Aber ich zweifle manchmal an unserer Welt. So etwas übersteigt mein Fassungsvermögen. Man sagt mir nach«, schüttelte Neumann den Kopf und musste noch einmal die Nase putzen, »ich sei ein Eisblock.« Neumann versuchte ein Lächeln und öffnete seine Hände zu einer bittenden Geste: »Seien Sie so gut und zerstören Sie nicht meinen Ruf.«
Walcher nickte, und Johannes, der zurückhaltende Johannes, machte einen Schritt auf Neumann zu und umarmte ihn, als sei es das Normalste auf dieser Welt, einen fremden Kommissar zu umarmen. Neumann schien auch sichtlich überrascht, ließ aber Johannes’ vertrauliche Geste ohne Widerspruch zu.
Danach ging ein Ruck durch ihn: »Schluss mit Sentimentalitäten. Es gibt viel zu tun, und Sie«, er wandte sich Walcher zu, »möchten
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