Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Stadtteil Eichenhof, ging dort in die Eichenstraße 24, stieg in den vierten Stock hinauf, wartete kurz, tappte leise wieder ein Stockwerk zurück, klingelte zaghaft an der mittleren der drei Türen und wurde eingelassen. Dort war vor etwa einem halben Jahr ein illegales Bordell eröffnet worden, das seinen Gästen besonders günstige Preise und vor allem sehr hübsche junge Frauen bot. Die Adresse reichten sich Interessierte unter dem Siegel der Verschwiegenheit weiter, wie bei einem Geheimbund. Allerdings verbarg sich dahinter eher die Befürchtung, dass bei wachsender Bekanntheit der Puff dichtgemacht würde.
Adam Karowitz machte sich keine Gedanken über erzwungene Prostitution, Gewalt, Vergewaltigung und Missbrauch. Für nur fünfzig Euro es einer jungen Frau mal so richtig zu besorgen, fand er völlig in Ordnung, auch dass er dabei mit seinen großen Händen das Gesäß dieses jungen Dings grün und blau schlug. Schließlich waren es ja Hurenweiber.
Ja, er war durchaus der Meinung, dass sie dabei besondere Lust empfänden, warum sonst stöhnten sie wie die geilen Weiber in den Videos? Außerdem bekam er jedes Mal zur Begrüßung ein halbes Wasserglas voll Wodka, und wenn er zehn Minuten später bei dem Zuhälter an der kleinen Bar im Flur für die Hure bezahlte – nur für Stammkunden –, noch mal ein halbes Glas voll. All inclusive, gewissermaßen.
Auf dem Heimweg, im Les Halles , trank Adam dann noch ein paar Bier mit Korn, fühlte sich als ein ganzer Mann und malte sich in Gedanken bereits den nächsten Donnerstag aus. Da würde er es einem der Hurenweiber wieder so richtig besorgen. Und seinen Kumpels in der Markthalle würde er vorschwärmen, was für ein tolles Weib er wieder mal geritten hatte.
Stammtisch
Die Vorbereitungen für die Fahrt nach Basel, Zürich und zu Hinteregger ans Mittelmeer waren abgeschlossen. Irmi hatte sich statt des angekündigten Kleids eine Jeans und, ebenfalls in Schwarz, eine Jacke dazu ausgesucht. Nach dem Kleiderkauf kam der Friseur an die Reihe, und das Ergebnis musste der Freundin vorgeführt werden, bei der sie dann auch gleich übernachten wollte. Walcher beschloss deshalb, sich wieder mal am Weiler Stammtisch zu zeigen. Das machte er immer dann, wenn er Neuigkeiten aus und um Weiler herum erfahren wollte.
»Wenn Se wissa wellat, was sich im Allgäu tuat, miasset Se an dr Stammtisch hocka und de Einheumische aufs Maul luaga«, hatte ihm Frau Zehner schon vor Jahren empfohlen und auch gleich die oberste Verhaltensregel für den ersten Besuch geliefert. Die besagte, dass man sich unaufgefordert und ohne zu fragen einfach dazusetzen musste, denn auf eine Einladung würde man bis ans Ende seiner Tage warten. Walcher hatte sich an den Rat von Frau Zehner gehalten und war seit jenem Tag am Stammtisch im Hirsch – einer der ältesten Wirtschaften von Weiler – ein akzeptierter, zumindest gern geduldeter Gast.
Die Gaststube war urgemütlich, mit viel dunklem Holz verkleidet, dem man noch die solide Handarbeit vergangener Zeiten ansah. Hier trafen sich die alteingesessenen Weiler in dem Bewusstsein, dass schon ihre Väter und die Väter davor auf denselben Stühlen ihren Durst gelöscht hatten. Außer dem großen Stammtisch gab es nur noch drei kleinere Tische, und die blieben meist leer. Fremde verirrten sich selten in die kleine Wirtschaft.
Die Wirtsleute waren längst im Rentenalter, aber deshalb hörte man schließlich nicht auf zu arbeiten. »So lang ’s goht«, sagten sie.
Das Angebot an Speisen war ebenso überschaubar wie die Auswahl an Getränken. Zu essen gab es einfache Brotzeiten und zu trinken ExportBier, Pils und Hefeweizen, dunkel und hell, eine Sorte Rot-und Weißwein, Brände aus der Umgebung, also Williams, Obstler, Enzian, und für Kinder Cola, Spezi oder Limo.
»Grüß euch Gott«, begrüßte Walcher die drei, die heute am Stammtisch saßen, setzte sich dazu und bestellte ein Pils. Mehr Worte hätten sie ihm als Schwatzhaftigkeit angekreidet.
Es dauerte eine Weile, bis sie ihn ebenfalls begrüßten.
»So, bisch au wieder amol do? Wie hosch’es? Wie goht’s dr?«, meldeten sie sich der Reihe nach, was im Allgäu bereits einer ausführlichen Begrüßungsansprache gleichkam.
Walcher beantwortete die Fragen nach einer langen Pause quasi im Bündel und genauso geschwätzig wie die drei altgedienten Stammgäste: »’S goht so.«
Dann kam sein Pils, und man prostete sich gegenseitig zu, der Höhepunkt des Eingangsrituals. Danach setzten sie
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