Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
irgendwo in der Nähe sein müsste, trug so eine Lederjacke.
»Dienstvorschrift«, meinte Hinteregger achselzuckend. »In den Jacken steckt praktisch ein komplettes Kommunikationssystem samt Energieversorgung.« Entschuldigend erklärte er: »Ich bin halt irgendwie immer bei der Arbeit. Aber ich hätte dich informieren und dir die beiden vorstellen sollen. Sie wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft vom Haus und begleiten uns praktisch überallhin. Ich dachte, dass wir uns da besser bedeckt halten sollten, wegen Irmi. Oder was meinst du?«
Walcher schluckte erst einmal und nickte dann rasch, denn Irmi kam gerade, zog die beiden zu einem Kunststand und deutete auf einen riesigen Sonnenuntergang in Öl.
»Hey, der wär’ spitzenmäßig in meinem Zimmer«, rief sie und war kaum zu bremsen. Hinteregger schmunzelte, während Walcher sie auf den Preis aufmerksam machte, der ihr komplettes Feriengeld verschlingen würde. Irmi forderte ihn flüsternd auf, doch den Preis herunterzuhandeln, aber Walcher schüttelte nur den Kopf, denn selbst der halbe Preis wäre immer noch weit zu viel gewesen. Da griff Hinteregger ein und schlug vor, den nächsten Sonnenuntergang direkt und eigenhändig von der Terrasse aus abzumalen. »Im Haus stehen Leinwand, Pinsel, Farben und eine Staffelei, wollte nämlich selber malen, wenn ich dazu komme. Also da kannst du dich als Artista versuchen.«
Irmi fand die Idee superspitze.
Am Chiemsee
Regen prasselte gegen die Fenster. Es schüttete wie aus Kübeln, und bald flossen die Pfützen auf dem Hofplatz zusammen und bildeten einen See. Isolde und Danila standen am Fenster der geräumigen Wohnküche und trockneten sich die Haare. Gerade noch rechtzeitig hatten sie es geschafft, die Wäsche ins Haus zu bringen, bevor der von heftigen Böen gepeitschte Wolkenbruch für Weltuntergangsstimmung sorgte. Isolde dachte an Hubert, ihren Mann, der mit den beiden Pflegekindern unterwegs war, um den Bauernschrank abzuliefern, den sie während der vergangenen Wochen in gemeinsamer Arbeit restauriert hatten.
»Hoffentlich erwischt sie der Regen nicht gerade beim Ausladen«, meinte sie und sprach betont langsam und akzentuiert.
Danila nickte: »Werden schon warten, sind nicht dumm.«
Auch Danila sprach langsam und konzentriert. Ihre Fortschritte in der deutschen Sprache waren beachtlich. Seit ihrer Ankunft auf dem Hof unterrichtete Isolde sie in einer Art Dauerkurs. Mit viel Geduld erklärte Isolde jeden Handgriff in Haus und Garten. Danila notierte sich alle neuen Wörter in einem Taschenkalender, den sie immer bei sich trug. Zwischendurch diktierte Isolde kurze einfache Sätze, machte Danila auf Grammatikfehler aufmerksam und ließ sich von ihr immer wieder deren Vokabelsammlung vorlesen.
Als Danila angekommen war, hatte sie nur ein paar Wörter beherrscht, die allerdings jedem halbwegs zivilisierten Menschen die Schamesröte ins Gesicht trieben, aber Isolde war das von ihren Zöglingen gewöhnt. Vor nunmehr fünf Jahren hatten sich Isolde und Hubert Kammerer, sie Sozialarbeiterin, er Möbelschreiner, zur Aufnahme von Kindern mit problematischem Hintergrund entschlossen und führten seither das Leben einer Großfamilie, in der allerdings die Besetzung wechselte. Mit Danila war, vermittelt durch SOWID , zum ersten Mal eine schon etwas ältere Jugendliche in die Familie aufgenommen worden.
Die beiden Kammerers galten im nahen Rottau, einem kleinen Dorf am Chiemsee, als Aussteiger, obwohl sich die Möbelschreinerei und die Nebenerwerbslandwirtschaft, die sie betrieben, seit Generationen im Besitz von Huberts Familie befanden. Nach einem kurzen Intermezzo in der Möbelindustrie hatte sich Hubert auf das Restaurieren alter Möbel spezialisiert, und weil auch Isolde mit ihrer Beamtentätigkeit in der Jugendfürsorge nicht die Erfüllung ihrer beruflichen Vorstellung fand, hatten sie in dem elterlichen Hof mehrere Zimmer ausgebaut, um Pflegekinder aufzunehmen. Eigene Kinder wollten sie nicht mehr, sie fanden sich mit ihren 40 Jahren dafür zu alt. Also hatten sie sich für fremde Kinder entschieden, denen sie ein liebevolles und verlässliches Zuhause gaben.
Isolde zeigte auf die Kaffeemaschine: »Wie wär’s mit einem Kaffee, bis das Sauwetter vorbei ist?«
»Eine gut Idee«, bestätigte Danila und lächelte.
»Eine gute Idee«, korrigierte Isolde sie, »eine Idee ist gut, aber wenn du es andersherum sagst, wird hinten ein e angehängt.«
Die beiden sollten jedoch nicht zu ihrer Kaffeepause kommen, denn
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