Falkenjagd: Ein Fall für Robert Walcher (Ein Robert-Walcher-Krimi) (German Edition)
Reisebüro kümmert sich ausschließlich um die Organisation der Häuser. Wir bezahlen den Aufenthalt in so einem Haus entweder in bar oder in Form von Arbeitszeit, durch Überstunden zum Beispiel.«
Walcher nahm sein Glas und prostete Hinteregger zu: »Hört sich nach gelungenem Sozialismus an.«
»Wie gesagt, mir gefällt das Modell. Vor allem aber kommt es eben ohne besserwisserische Ideologie aus«, nahm auch Hinteregger sein Glas.
»Gehört dir auch ein Stückchen von dem Boot?«, wollte Irmi wissen und schlug, als Hinteregger genickt hatte, vor: »Was haltet ihr davon, wenn wir morgen mit dem Boot rausfahren? Von mir aus mit oder ohne Ideologie an Bord.«
Hinteregger deutete lachend auf Irmi und bekam zu viel Zigarrenrauch in die Lunge. Hustend nickte er zu Walcher: »Machen wir, oder?«
Fluchtversuch
Sie sollte sich duschen und unter Aufsicht sorgfältig schminken. »Sondereinsatz«, grinste Andreij, dessen Gesicht aussah wie ein zu lange gebackener Leberkäse. Andreij war schon nüchtern ein obszönes Schwein, in betrunkenem Zustand entwickelte er sich zu einem sadistischen Folterknecht – und er soff praktisch ununterbrochen.
Jeswita musste eines der Arbeitskleider anziehen, die für sogenannte Sondereinsätze angeschafft worden waren. Dann nahm Andreij ihre Hand, drückte sie so fest, bis ihr vor Schmerzen die Tränen kamen, und sagte: »Wenn du Ärger machst, gibt’s ’ne Spezialbehandlung von mir, ist das klar?«
Jeswita nickte nur. Dann gingen sie hinunter zum Auto, wo Andreij sie auf den Rücksitz stieß und den Hebel für die Kindersicherung umlegte, bevor er die Tür zuschlug.
Andreij fuhr zügig, soweit der Verkehr es zuließ. Auf einer breiten Allee, als sich der Strom der Autos zu einem Stau verdichtet hatte, warf sich Jeswita hinüber zur linken Wagentür – in der Hoffnung, dass diese nicht gesichert war. Sie war tatsächlich nicht verriegelt, aber Andreij reagierte wie ein Profi. Er riss sofort das Steuer nach links, raste über den Mittelstreifen auf die Fahrbahn für den entgegenkommenden Verkehr und schaffte es in einer wilden Zickzackfahrt, die drei Spuren ohne Zusammenstoß fast diagonal zu queren. Mit quietschenden Reifen hielt er an der freien Bushaltestelle.
Jeswita war durch das Manöver zurück auf die rechte Seite geschleudert worden, während die linke Tür wieder zuschlug. Kaum stand der Wagen, schlug Andreij ebenfalls zu und zielte mit der Faust auf ihren Hinterkopf.
Das Einzige, was Jeswita noch denken konnte, war: Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf? Sie nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit erneut zu fliehen. Aber erst einmal gab es keine Gelegenheit. Andreij zwang sie, aus der Flasche zu trinken, die er immer griffbereit im Handschuhfach liegen hatte. Einige wenige Schlucke davon genügten, und Jeswita entschwebte in eine andere Welt, aus der sie erst wieder in einem Bett aufwachte, das in einem mit Nippes überfüllten Schlafzimmer aus Schleiflackmöbeln stand.
Die dunkelblauen Vorhänge waren zugezogen. Dutzende Kerzen brannten. Eine piepsige Frauenstimme sang lautstark irgendeine Opernarie.
Jeswita entdeckte sich in dem riesigen Spiegel an der Decke über dem Bett. Sie war nackt und an das Metallgestänge des Bettes gefesselt. Der Mann und die Frau, die lächelnd auf sie herabsahen, waren ebenfalls nackt, aber ohne Fesseln.
Italien III
Nach der ersten Nacht, vom ungewohnten steten Rhythmus der Brandung im Schlaf begleitet, waren sie schon beim ersten Sonnenstrahl aufgewacht. Walcher und Irmi fühlten sich erholt, obwohl sie einige Male aufgewacht waren, wie sie Hinteregger gestehen mussten. Schließlich waren sie aus dem Allgäu andere Nachtgeräusche gewohnt.
Die Wachphasen waren allerdings nur kurz gewesen, die hypnotische Kraft der rauschenden Brandung hatte sie unwiderstehlich zurück in Morpheus’ Arme geführt.
Walcher verweigerte ein derart frühes Badevergnügen, weshalb Irmi allein ins Meer hüpfte und dabei vermutlich die Küstenbewohner von Genua bis La Spezia in Aufruhr versetzte, so laut schrillten ihre Jauchzer. Hinteregger schickte Walcher, gewissermaßen als Ersatz für einen Morgenlauf, die Treppen hinauf zum Parkplatz, wo auf seinem Autodach Tageszeitungen und frische Brötchen deponiert lagen, die vom Dorfbäcker im östlichen Stadtteil von Riva Trigoso stammten, der so freundlich war, auch die bei einem Kiosk bestellten Zeitungen mitzubringen.
Nach den 160 Stufen war Walcher froh, sich an einen gedeckten Frühstückstisch
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