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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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Gesellschaft bereichern würden.«
    Der junge Mann, der eigentlich die allernächste Postkutsche zu
seinem Dichterfreund Cronegk nach Ansbach hatte nehmen wollen,
verbeugte sich und sagte zu.
    Auch am Nachmittag sprachen sie nicht mehr
über Paris oder Versailles. Sie absolvierten stattdessen das übliche
und einzige Programm, mit dem man in Schwaningen Gäste unterhalten
konnte: Sie ließen sich mit dem Kahn zu der kleinen Insel am unteren
Ende des Kanals rudern, wo sie trotz kühler Witterung nach höfischer
Manier im Kreise von Friederikes Damen und Kammerherren im Pavillon
Kaffee tranken. Anschließend fuhren sie in der schon etwas
altersschwachen offenen Gartenkutsche aus, die sie vor vielen Jahren
zum Trost für die häufigen Wutausbrüche des Markgrafen von ihrem Vater
geschenkt bekommen hatte.
    Von Gleichen wollte gerade sagen, dass er sich einen Platz in
der nächsten Kutsche früh um fünf Uhr gesichert hatte, als sie darauf
bestand, die Besichtigung zu Fuß fortzusetzen. Der Chevalier, der zwar
schlichte, aber doch seidene Kniehosen über blütenweißen Strümpfen
trug, zögerte kurz, als die Markgräfin nach wenigen hundert Metern von
den buchsgesäumten Kieswegen abbog und ihn auf schmutziges,
unbefestigtes Terrain führte, doch was blieb ihm schon übrig? Der
kleine Hofstaat, der solche Exkursionen anscheinend gewöhnt war, folgte
ohne Murren. Bald hingen Kotballen an seinen Sohlen, und der saure
Gestank von Stallungen stach ihm in die Nase.
    »Meine Viehmast, passen Sie auf, hier ist eine Stufe«, sagte
sie knapp und riegelte das Tor zu einem Gebäude auf, das, so mutmaßte
von Gleichen, die Fortsetzung des prächtigen Marstalls sein musste. Er
trat nach ihr in die warme, dampfende Dunkelheit ein. Mon Dieu , wenn das die Bayreuther Markgräfin erleben würde, dachte er.
Seine Gönnerin und bis nach Frankreich gefeierte große Dame, die als
bekränzte Schäferin promenierte und dabei die Oden ihres königlichen
Bruders deklamierte. Und hier, neben ihm, die Ansbacher Schwester. Die
in nicht weniger eleganter Aufmachung durch die Reihen schnaubender
Rinder schritt und um deren ungepuderten Kopf ein Schwarm grüner
Schmeißfliegen surrte.
    »Schauen Sie«, unterbrach sie energisch seine Gedanken und
blieb vor einem massigen Tier mit struppigem, schwarzbraunem Fell
stehen, das ruhig auf dem Stroh lag und den hohen Besuch aus seinen
blond bewimperten Augen nicht unfreundlich anglotzte, »dieser Ochse ist
eine Kreuzung zwischen dem von John Ellman von Glyde veredelten
Sussex-Rind und den Einzüchtungen der schwarz-weißen Hollandrinder, die
ich vor fünfzehn Jahren ins Land holen ließ. Er ist entschieden
muskulöser und kräftiger als jedes andere Pflugtier und kann Pflüge
ziehen, für die man sonst zwei Tiere braucht …«
    Friederike gönnte sich eine stolze kleine Pause, bevor sie
fortfuhr. »Dazu ist er auch noch ergiebiger und schmackhafter im
Fleisch, wenn man ihn schließlich schlachtet.«
    Von Gleichen starrte der Markgräfin ins Gesicht, was aber im
Dämmerlicht des Stalls nicht als allzu unhöflich gelten konnte.
    »Königliche Hoheit, das ist phänomenal.«
    Damit meinte er weniger den Ochsen, der inzwischen
aufgestanden war und gemächlich und geräuschvoll urinierte, sondern
Friederike. Sie kam ihm gewagter vor als die modernen Damen, die er in
den Pariser Salons kennengelernt hatte.
    »Warten Sie ab, bis Sie meine Merinoschafe gesehen haben. Die
Wolle hat mir im letzten Jahr zweitausendachthundert Gulden
eingebracht, und Lord Spencer bittet mich unablässig um ein paar Lämmer
für seine Zucht.«
    Für das Abendessen wies die Markgräfin ihren
Hofmeister an, einige der kostbaren Flaschen Rheinwein aus dem Keller
holen zu lassen. Beim zweiten Gang stand dann auch schon fest, dass
Herr von Gleichen sich in Schwaningen einige Tage der Ruhe gönnen
würde, damit er seine beschwerliche und lange Reise zum königlichen Hof
nach Kopenhagen in aller Frische fortsetzen konnte.
    Caroline von Crailsheim, die den Gast für ihren Geschmack zu
wenig galant fand, fiel auf, dass die Fürstin für diesen Abend ein
Kleid mit einem ungewöhnlich großen Dekolleté gewählt hatte. Ihr Busen
schwamm geschmeidig wie ein silbern glänzender Fisch über die
Wellenkämme der Schatten, die die Kerzen warfen. Doch ob der junge
Chevalier, der so klug daherredete, dieses schöne Schauspiel überhaupt
würdigte, wusste Caroline nicht mit Sicherheit zu sagen.
    Er schnitt mit Messer und Gabel abenteuerliche Kurven in

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