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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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die
Luft und unterhielt die Tischgesellschaft mit Details einer Aufführung
von Molieres lange verbotenem Tartuffe , die
er in Paris zusammen mit einem Sonderling aus der Schweiz namens
Rousseau besucht hatte.
    Frau von Beust und Frau von Wasdorff, die beiden Hofdamen der
Markgräfin, waren hin- und hergerissen. Einerseits erregte sie jeder
männliche Gast, der nach Schwaningen kam. Selbst der Leibarzt aus der
Ansbacher Residenz, der ihnen zweimal im Jahr einen Aderlass
verabreichte, ließ sie munter wie Vögel flattern. Das Ungestüm jedoch,
mit dem dieser fremde Mensch zwischen Krebsschwänzen in Weinschaum und
in Sardellen gekochten Tauben unablässig Sätze wie kleine Bälle gegen
die Wand schlug, ängstigte sie. Das war nicht die Art von Unterhaltung,
die sie ihr Leben lang geübt hatten wie das Mischen und Austeilen von
Spielkarten.
    Friederike aß und trank kaum, verschlang aber gierig alles,
was er sagte. Diderot, Montesquieu, der Mathematiker d'Alembert, Turgot
und vor allem der Chevalier Jaucourt aus altem burgundischem Adel, der
zwanzig Jahre zur Schande seiner Familie wie ein Bürger an einem
anatomischen Lexikon gearbeitet hatte, dessen Manuskript dann aber auf
der Fahrt zur Drucklegung fernab von der französischen Zensur im
holländischen Meer versank. Die Ideen des Schweizers Rousseau von der
natürlichen Einfachheit, wonach Mütter ihre Kinder stillen und
geometrische Gärten in Urwälder verwandelt werden sollten, ließ sie
sich genüsslich auf der Zunge zergehen, bevor sie sie schluckte.
    Als Nächstes wurde sie mit Geschichten über den pfälzischen
Baron Holbein überschüttet, der die Enzyklopädisten zweimal wöchentlich
mittags um zwei zu Champagner und Austern einlud. Und schließlich kam
noch der höchst wunderliche Abbé Morelly an die Reihe, von dem von
Gleichen wusste, dass er in seinem Code de la nature den Beweis geliefert hatte, dass Privateigentum der Grund
allen Streits und Übels wäre und deshalb durch den Staat auf alle
Bürger gleichmäßig verteilt werden sollte.
    All diese fremden und doch längst geahnten Namen und Düfte
wehten zusammen mit von Gleichens zitronenfruchtigem Parfüm, das sie
gerochen hatte, als er vor dem Souper kurz ihren Arm gestreift hatte,
auf ihre einsame Insel, auf der sie sich mit ihren menschlichen und
tierischen Ziegen ein gutes Leben eingerichtet hatte, und führten ihr
vor, was sie trotz allem vermisste.
    In dieser Nacht schlief Friederike lange
nicht ein. Der Gedanke, dass irgendwann der gesamte Geist in
alphabetischer Anordnung zwischen Buchdeckeln einer Enzyklopädie
zusammengefasst sein würde, erregte sie sehr. Noch mehr aber die
plötzliche Erinnerung an eine blanke, zimtfarbene Brust, auf die das
strähnige Haar eines Wilden aus den Wäldern Französisch-Amerikas fiel.
Der allerdings plötzlich dichtere und längere Wimpern bekam, als er
tatsächlich gehabt hatte.
    Am nächsten Tag ließ sie den Besucher
absichtlich alleine. Sich selbst zwang sie, eine halbe Stunde im kalten
Morgenbad auszuharren. Sie hoffte, das würde die vapeurs auflösen, die vergorenen Dämpfe, die ihr seit gestern wieder
unerwartet heftig zu Kopf stiegen. Als sie schließlich aus der Wanne
stieg, fror sie immerhin so sehr, dass ihre Gedanken für eine Weile
gezähmt waren. Dann brütete sie wieder über den Zahlen der Meierei.
    Sie erhoffte sich Geldzuflüsse, mit denen sie wiederum neues
Gerät aus England bestellen konnte, und überlegte sogar, ob sie sich
nicht für einen der neuartigen Webstühle interessieren sollte, mit dem
sich angeblich so viel schneller Ware herstellen ließ. Atterbury, ihr
geschäftlicher Vertreter in London, der ihr alle zwei Monate
ostindischen Tee schickte, gab sich Mühe, der seltsamen deutschen
Fürstin die neuesten medizinischen Bücher und alle Beschreibungen von
mechanischen Erfindungen zu schicken, die er auftreiben konnte.
    Friederike gelang es nicht, sich zu konzentrieren. Unruhig
sortierte sie Quittungen und bekleckste Zettel der Verwalter, bis sie
schließlich mit zornigen Schritten ins Musikzimmer marschierte, um auf
dem Spinett Fingerübungen zu exerzieren. Weder die schlimmsten
Zornausbrüche ihres Mannes noch die Eiseskälte ihres Bruders hatten sie
in den vergangenen Jahren so aus der Contenance bringen können. Warum
also jetzt dieser Bücherwurm und Wortverdreher?
    Ärger kroch in ihr hoch, und sie eilte zurück zu dem kleinen
Sekretär und ihrer Zettelwirtschaft. Ihre Blutung war schon seit ein
paar Tagen abgeklungen,

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