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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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merkwürdige Versuche mit
Tieren durchführte? In etwas weinerlichem Zustand, weil der Markgraf
wieder häufig mit der Marwitz ins Bett ging, hatte die Bayreuther
Fürstin erzählt, dass sich ihre Schwester mit gotteslästerlichen,
frivolen Untersuchungen verlustierte. Sogar die eigenen Landeskinder
hätte sie untersuchen wollen. Gottlob hätte ihr Schwager, der sonst ein
Dummkopf war, ihr das strikt verboten. Inzwischen wäre es aber so, dass
Friederike gar nicht mehr in die zivilisierte Welt passte. Schwaningen
wäre der einzige Ort, an dem sie ihre absonderlichen Grillen und
unweiblichen Vergnügungen verstecken könnte.
    »Was haben Sie vor dem Dienst bei der
Markgräfin gemacht?«
    Friederike, die genug von dem gewalttätigen Naturereignis
hatte, ließ das Bild kurzerhand hinter einen Sesselrücken gleiten. Tat
er nur so unbedarft? Oder stand er vielleicht doch nicht auf der
Gehaltsliste ihrer Schwester für besondere Spionagedienste? Sie blieb
auf der Hut, ihre Augenlider zuckten ein wenig vor Anspannung, was ihm
aber nicht auffiel. Sie befahl Karl Heinrich von Gleichen, der ihrer
Schätzung nach kaum älter als Mitte zwanzig war, auf einem Hocker Platz
zu nehmen.
    Völlig ungeniert antwortete Wilhelmines ehemaliger Kammerherr
mit einer Gegenfrage.
    »Kennen Königliche Hoheit Ihren Untertan, den Dichter Cronegk
aus Ansbach? Mit ihm habe ich nämlich in Leipzig bei Geliert studiert,
und mit ihm zusammen bin ich auch nach Frankreich gereist. Wirklich ein
famoser, ein wunderbarer Freund.«
    »Cronegk sagen Sie? Ach ja. Aber was genau haben Sie in Paris
gemacht?«
    Friederike erinnerte sich dunkel, dass ihr Gemahl den Dichter
Cronegk, der stets verhuscht und verspottet durch die Ansbacher Straßen
gestolpert war, unter seinen Schutz gestellt hatte und ihm auch eine
Pension zahlte. Der junge Mann, in dessen kantigem Gesicht sie kein
Stäubchen Puder entdeckte, schlug seine, was ihr ebenfalls nicht
entging, schönen langen Beine übereinander.
    »Gemacht allerdings wenig«, lachte er, »dafür war ich tagsüber
zu müde, und nachts ging ich abwechselnd ins Theater oder in die Salons
von Madame de Graffigny, Madame du Deffand oder Madame de Lespinasse.
Wo sich ja jetzt die ganze Welt trifft.«
    »Und die königliche Familie, der Hof von Versailles? Die
Maskenfeste, Bälle und Bankette? Waren Sie nicht auch dort Gast und
Bewunderer?«
    »Gast schon, aber nicht Bewunderer.«
    Nach dieser Bemerkung füllte Schweigen das zartrosa
Empfangszimmer. Friederike zupfte sprachlos das Kissen zurecht, auf das
ihre Mutter den kleinen, über alles geliebten, schwarz gefleckten
Bologneserhund Finette gestickt hatte.
    Karl Heinrich von Gleichen war es, der entgegen dem Protokoll
als Erster wieder das Wort ergriff. Er schaute die Markgräfin nicht an,
sondern wanderte mit seinen Augen die zierlich verspielten Rocailles an
den Stuckleisten ab. Mit gedämpfter Stimme begann er zu erzählen.
    »Es ist nicht mehr nur der Putz, der abbröckelt, selbst das
Mauerwerk fällt schon an manchen Ecken in großen Stücken heraus, und
niemand schert sich mehr darum. Außerhalb des Versailler Schlosses
rennt man am besten, weil einem jeden Moment einer der vielen losen
Dachziegel auf den Kopf fallen kann. Die Gärten werden nur noch in dem
Radius gepflegt, in dem die Herrschaften spazieren gehen, und der ist
nicht allzu groß. Dafür sprühen die Fontänen immer höher. Immer
häufiger werden auch Feuerwerke abgebrannt, um das arme Volk bei Laune
zu halten und von den leeren Kochtöpfen abzulenken.«
    Er schaute jetzt beharrlich auf eine der hübschen Supraporten,
auf der chinesische Damen und Herren Chrysanthemen pflückten. Beinahe
wie ein kleiner Junge, der gegen seinen Erzieher bockt, schmunzelte
Friederike und entdeckte gleichzeitig, wie dicht und dunkel der Kranz
seiner Wimpern war. Als sich ihre Blicke dann doch kreuzten, fiel ihr
auf, dass er bitterer und zynischer schaute, als es in seinem Alter
üblich war. Für ihn muss Schwaningen direkt hinter dem Mond liegen,
schoss ihr durch den Kopf. Natürlich hätte sie ihn brennend gern weiter
ausgefragt: über das, was man in diesen Salons alles diskutierte, und
warum sich die Dinge in Versailles so entwickelten, wie er schilderte.
Doch sie beherrschte inzwischen die Kunst, nichts zu überstürzen, und
deshalb stand sie auf und verabschiedete ihn freundlich.
    »Nehmen Sie das Mittagessen mit uns ein. Wir halten keine
große Tafel, aber ich würde mich freuen, wenn Sie uns um drei Uhr mit
Ihrer

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