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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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sorglos amüsieren kann, sondern heißes
Pflaster. Niemand weiß, was dabei herauskommt.«
    »In den Salons probt man also die Zukunft?«
    »Königliche Hoheit, Sie wären dort eine Königin.«
    »Sie brauchen mir nicht zu schmeicheln. Erstens bin ich danach
nicht süchtig wie meine Schwester. Zweitens weiß ich zu gut über meine
Beschränkungen Bescheid. So wie wenn eine Pflanze mit zu wenig Licht
gehalten wird. Ihre seitlichen Triebe verkümmern.«
    Friederike hielt inne und gönnte sich einen langen Blick auf
seine sehnige Nacktheit. Sie küsste ihn heftig auf den Mund. Dann
schlüpfte sie aus dem Batisthemd, dem letzten Stück, das sie noch
anhatte, und warf es auf den Boden, wo schon das Gestänge ihres
Reifrocks zusammengesunken lag. Dabei kam ihr in den Sinn, dass sie
sich heute zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben ohne jede Hilfe von
Zofen oder Kammerfrauen entkleidet hatte. Ein Gedanke, der sie sehr
amüsierte. Und mit einem schelmischen Lächeln schwang sie sich
rittlings auf den Schoß des jungen Herrn von Gleichen und spornte ihn
zu einem schnellen gemeinsamen Ritt an.
    Jonathan, der Verwalter des Kreuthofes, der
vier Tage später vorsprach, um Anweisungen für lange anstehende
Reparaturen und Vergrößerungen der Scheunen entgegenzunehmen, wurde vom
Hofmeister der Markgräfin mit barschen Worten abgewiesen.
    »Ich sag es ihm doch, die Königliche Hoheit macht derzeit
keine Pläne.«
    »Aber was sollen meine Leute jetzt machen? Es war längst
abgesprochen, dass sie in der schlechten Jahreszeit …«
    »Geh er! Lass er sie Holz hacken oder sonst was, wir wissen
auch nicht, was Ihre Königliche Hoheit überhaupt noch im Sinn hat.«
    Damit knallte er dem verdatterten Mann, der über drei Stunden
vom Kreuthof zum Schloss bei strömendem Regen gelaufen war, die Tür vor
der Nase zu. Ohne ihm wie sonst die übliche warme Biersuppe zu geben.
Ganz davon abgesehen, dass Jonathan sonst von der Markgräfin persönlich
empfangen wurde. Sie freute sich, wenn er ihr erzählte, dass ihm
Delphine nicht nur fünf gesunde Kinder geboren hatte, sondern auch
fleißig und umsichtig wirtschaftete.
    Der kleine Schwaninger Hof vibrierte wie ein
Ameisenhaufen, in den ein Dorfjunge mit einem Stöckchen gestochert
hatte. Alles und jeder kam aus dem Tritt. Die beiden Hofdamen krallten
sich verängstigt an ihre Stickrahmen und bearbeiteten mit nie gekannter
Grausamkeit den Stoff. Die Zofen stritten sich von früh bis spät. Sie
beschuldigten sich wechselseitig der üblen Nachrede und des Diebstahls.
Die zwei Kammerherren kleideten sich liederlich und spielten
stundenlang Billard. Selbst die Mägde in der Küche ließen die Milch
anbrennen und vergaßen, den Armen die Speisereste vor die Tür zu
stellen.
    Natürlich sprach keiner den Grund dafür laut aus, nämlich dass
die Markgräfin, die ihr aller Leben seit Jahren so tüchtig, straff und
genau regelte und sämtliche Fäden ihrer Wirtschaft in der Hand hielt,
sie im Stich ließ. Seit Tagen kam sie nicht mehr aus dem Zimmer des
Bayreuther Chevaliers heraus. Weder ihre Damen noch sein Bursche
bekamen Zutritt oder Anweisungen. Nur die älteste Zofe der Markgräfin,
die mit ihr vor fast dreißig Jahren aus Berlin gekommen war, durfte,
was sie mit hochroten Flecken im Gesicht und unter großer
Verschwiegenheit erledigte, Essen und Wein servieren und das
Nachtgeschirr leeren.
    Selbst Caroline von Crailsheim begann, sich Sorgen zu machen.
    »So soll es sein«, murmelte sie zwar, wenn sie von ihrem
Erkundungsgang zurückkam. Die Matratze quietschte. Das Bett wackelte,
dass man es noch einen Stock tiefer hören konnte. Aber weiß der Himmel,
warum die beiden zwischendurch über die Mehlpreise in Frankreich und
die Ansichten eines gewissen Jean Jacques Rousseau debattieren mussten.
Natürlich lauschte Caroline. Aber was sie hörte, war, so fand sie,
entschieden gegen die Spielregeln.
    Sie selbst erinnerte sich mit einem kleinen Schauder an den
Bauernlümmel, den sie vor drei, vier Jahren auf einer Waldlichtung
getroffen hatte. Er hatte die Erntearbeit geschwänzt und schlief
schöner als jeder Faun im Schatten einer Rotbuche. Sie kniete sich zu
ihm und weckte ihn mit einem Kuss. Natürlich war aufgefallen, dass sie
erhitzt und mit zerknittertem Rock ins Schloss zurückkam. Grashalme
steckten ihr vorwitzig im Ausschnitt, gesprächige Zeugen einer
wollüstigen Rauferei, die sie mit Absicht nicht entfernte. Die Hofdamen
warfen ihr bewundernde Blicke zu, und selbst die Markgräfin wärmte

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