Falkenjagd
sich
an diesem Tag am aufreizenden Strahlen ihrer Freundin. Früher, bei
Hofe, bestäubte man sich absichtlich mit dem Parfüm desjenigen
Kavaliers, mit dem man die Nacht verbracht hatte. Oder holte wie
zufällig seine Bonbondose aus dem Ärmel hervor, um das Karussell der
Gerüchte in Fahrt zu halten. Alles musste Schein und Spiel sein. Die
Markgräfin aber machte Ernst daraus.
Ich bin heilfroh, dachte Caroline bei sich, dass ich nur die
schönen Seiten der Liebe erlebt und mich nie verliebt habe. Gefühl ist
Mangel an Esprit. Den kleinen Buben, der rot und hübsch aus ihrem Bauch
gekrochen war, ja sicher, den hätte sie lieben können. Aber sie hatte
ihn ja nicht behalten können. Die Wünschin, das sagte ihr manchmal die
Markgräfin, überwachte gewissenhaft seine Ausbildung.
Bevor sie traurig wurde, ging Caroline zu Haushofmeister von
Haagk und raunte ihm zu: »Wir müssen unter allen Umständen verhindern,
dass der Markgraf in Ansbach oder gar ihr Bruder, der König, davon
erfährt.«
Auch Herr von Haagk war sehr besorgt und flüsterte: »Der
Pfarrer hat mich gestern Abend um Aufklärung gebeten. Die Gemeinde ist
zutiefst beunruhigt, weil Ihre Königliche Hoheit am Sonntag nicht zum
Gottesdienst erschienen ist. Bestimmt weiß auch bald schon der
Oberamtmann von Gunzenhausen davon! Ach Gott, Madame, was machen wir
nur?«
Von Haagk hatte sich heiser geredet und drückte wiederholt ein
Schnupftuch gegen die feuchte Stirn. Dem kreuzbraven Herrn, der
Friederike einfallslos, aber devot diente, saß die Furcht, einen Fehler
zu begehen, im Nacken. Noch dazu fühlte er sich wie so oft unwohl unter
den blitzenden Blicken des Fräuleins von Crailsheim, über deren genaue
Stellung im Schwaninger Haushalt er noch nach all den Jahren rätselte.
Caroline grübelte eine Weile und sagte dann: »Warten wir noch
bis morgen Abend, dann werde ich eine geheime Stafette an den alten
Grafen Seckendorff schicken und ihn um Rat fragen.«
Caroline war überzeugt, dass höchste Vorsicht geboten war.
Jeder Mensch an den deutschen Höfen wusste doch, was man mit
Friederikes unglückseliger Großmutter mütterlicherseits gemacht hatte.
Die so dumm gewesen war, sich Hals über Kopf in den jungen Königsmarck
zu verlieben. Sie wurde bis zu ihrem Tod in furchtbarer Gefangenschaft
gehalten. Selbst die schöne Aurora von Königsmarck mit all ihrem
Einfluss auf August den Starken konnte damals nicht verhindern, dass
ihr Bruder hingerichtet wurde.
»Verpflichten Sie alle Diener und Mägde zu strengster
Verschwiegenheit. Jeder, der nur ein Wort nach außen dringen lässt,
wird hart bestraft und davongejagt. Ich verlasse mich auf Sie, lieber
Haagk.«
Zu guter Letzt ließ Caroline den Hofmeister auch noch auf die
Markgräfin schwören.
Nichts ahnend, dass man sich so viele Sorgen
um sie machte, schlüpften Friederike und Karl Heinrich unbemerkt aus
ihrem Versteck der zugezogenen Bettvorhänge und eilten wie
unbeaufsichtigte Kinder in den Morgen hinaus.
Der Himmel schimmerte hart wie böhmisches Glas. Die Kälte ließ
Friederike diesen Tag noch wahrhaftiger vorkommen, und sie reckte ihr
Gesicht dem Ostwind entgegen. Bei den Streuobstwiesen flogen die Krähen
wütend auf und erschreckten den semmelfarbenen Spaniel. Ihr war, als
sehe sie alles um sich herum durch ein dickes Brennglas. Eine Blaumeise
stürzte wie ein pelziges Geschoss von einem zum anderen Baum. Braune
Blätter, riesengroß und scharf ausgeschnitten, taumelten als
Geburtstagsgeschenke vor ihre Füße. Karl Heinrichs Augenbrauen waren
jetzt buschige tropische Gehölze. War die Erde je zuvor von solchen
locker zu Eiweißbaisers geschlagenen Wolken umspielt worden? Friederike
konnte sich auch nicht erinnern, schon einmal so viel Luft eingeatmet
zu haben. Mit Mühe hielt sie mit dem Geliebten Schritt, weil ihre Sinne
überbordeten vor Eindrücken, die sie vor dem Winter einsammeln musste.
Er ist der beste Freitag, den ich treffen konnte, dachte sie
und beobachtete ihn, wie er schlank und federnd für ihren Spaniel einen
Stock über die Wiese schleuderte.
Unwillkürlich fasste sie sich an die Brust, um sich zu spüren.
Wie gern hätte sie ihn gleich wieder berührt, aber sie wusste, dass die
Zeit drängte.
»Karl Heinrich, Sie haben mir immer noch nicht ganz erklärt,
warum die Enzyklopädisten nicht mehr weiterarbeiten dürfen? Was
missfällt dem König so sehr, dass er dieses Jahrhundertwerk des Geistes
jetzt verboten hat?«
Der junge Mann, der nach all den Tagen und Nächten
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