Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
Vom Netzwerk:
Caroline ins Zimmer kam und die wimmernde
Markgräfin zuerst wiegte wie ein Kind und ihr dann eigenhändig und mit
einiger Gewaltanwendung das sauer riechende Haar wusch. Danach stand
Friederike auf und gab Befehl, den Verwalter des Kreuthofes zu rufen.
Abgezehrt, aber ruhig und konzentriert besprach sie mit ihm sämtliche
Details der Um- und Anbauten.
    Als der erste hell schimmernde Schneetag
kam, ließ sie ihren Schlitten anspannen und sich zum Kreuthof fahren.
Sie grüßte herzlich die Frauen und Kinder, die tief vor ihr in die Knie
gingen, und verteilte süße Wecken und Seife. Sie beschwor Delphine
eindringlich, sich und die Kinder regelmäßig mit Wasser zu waschen.
Dann ließ sie sich die harzig duftenden neuen Scheunen zeigen, die
viele Jahre halten würden, und lobte die Ballen von fein gewebtem
Flachs, die sich in den Vorratskammern stapelten. Jonathans Jüngster
mit seinem frohen, runden Gesicht unter dem semmelfarbenen Haar ließ
sie sogar wieder etwas lächeln. Sie nahm den Kleinen auf den Arm und
küsste ihn. Wieder einmal erschraken die Hofdamen.
    Zu Weihnachten kam ein kleines Paket aus
Kopenhagen. Von Gleichen schickte ihr ein so genanntes Thermometer.
Seine Notiz war nur kurz: »Ein Herr Celsius hat das kleine Glasstäbchen
erfunden, in dem eine Quecksilbersäule auf- und absteigt. Damit kann
man die Wärme in einem Menschen messen.«

13
    K ersmackers trat vor die Hütte, in der ihm
Friederike erlaubt hatte, ein Falkenweibchen zu halten, und roch, dass
es bald wieder schneien würde. Er witterte auch noch etwas anderes in
der Luft in diesem Februar des Jahres 1757. Etwas, das er nicht genau
bestimmen konnte, das ihm aber überhaupt nicht gefiel.
    Er hatte gehört, dass der Markgraf vor acht Wochen auf dem
Reichstag in Regensburg vor allen Fürsten gegen den preußischen König,
seinen Schwager, gestimmt hatte. Für die anderen protestantischen
Reichsstände, besonders die im Süden, war das fast so etwas wie ein
Signal. Alle hatten jedenfalls auf den selbstbewussten Ansbacher
geschaut. Für Friedrich, den inzwischen viele ›den Großen‹ nannten,
musste das, so vermutete Kersmackers, ein Schlag ins Gesicht gewesen
sein. Selbst die Bauern und die kleinen Leute im Markgrafentum redeten
jetzt davon. Ihr Markgraf wäre ein freier Fürst und kein gemieteter
Prinz der Preußen, meinten die Untertanen und waren stolz auf ihn.
Andere flüsterten, sie hätten von den Juden gehört, dass Serenissimus
bis zu den Nasenlöchern in Schulden steckte und nur deshalb auf die
Seite des Kaisers gewechselt wäre, weil der ihm eine jährliche Pension
von fünfzehntausend florentinischen Gulden garantierte sowie die
Erbansprüche auf Bayreuth, wo es keinen männlichen Erben gab.
    Kersmackers, den immer nur interessiert hatte, dass sein
Markgraf ein leidenschaftlicher Falkner war, kamen diese politischen
Geschäfte unheimlich vor. Besorgt schaute er noch eine Weile in den
leeren, milchigen Himmel, dann verschränkte er die Arme, um seine
eiskalten Hände in den Achselhöhlen zu wärmen, und ging, sein gelähmtes
Bein hinter sich herziehend, auf das Schwaninger Schloss zu. Seit er
durch einen Jagdunfall für die Triesdorfer Falknerei unbrauchbar
geworden war, lebte und arbeitete der Flame bei der Markgräfin. Er
assistierte ihr bei ihren Versuchen. Ruhig und präzise trennte er die
Hautschichten von einem aus unerklärlichen Gründen gestorbenen Kalb ab,
nahm es aus und zerlegte das Gewebe der einzelnen Organe, so dass
Friederike die Proben nur noch unters Mikroskop zu schieben und auf
mögliche Krankheiten zu untersuchen brauchte.
    Sie kamen gut miteinander aus, der stille Falkner und die
Markgräfin. Sie schätzte seine geschickten Hände und schnelle
Auffassungsgabe. Er bewunderte die Umsichtigkeit, mit der sie die
Schwaninger Güter bewirtschaftete, die unmissverständliche Sanftheit
ihrer Anweisungen und schließlich ihr großes Wissen über das Innenleben
von Tieren, an dem sie ihn teilhaben ließ. Wöchentlich kamen mit der
Postkutsche Briefe aus England, Holland und inzwischen auch von
deutschen Gütern, in denen sie um ihre Meinung bei speziellen
Schweinezüchtungen oder beim Kartoffelanbau gefragt wurde. Jede Stunde
füllte sie mit Arbeit, Studieren und Korrespondenz aus. Etwas Besseres,
als für sie arbeiten zu können, hätte ihm in seiner Lage gar nicht
passieren können. Allerdings kam es vor, dass Kersmackers, wenn er sein
kleines Falkenweibchen fliegen ließ und beobachtete, wie es Kaninchen
schlug,

Weitere Kostenlose Bücher