Falkenjagd
Göbels Drohung rein gar nichts zu bedeuten hatte.
Sie erkannte, dass der Neid sich in ihm wand wie ein Regenwurm, den man
zwischen den Fingern baumeln ließ.
An den Heimweg erinnerte sich Elisabeth
später nicht mehr. Sie wanderte durch sumpfige Wiesengründe und entlang
moosiger Waldsäume, ohne zu hören, wenn ein Ast unter ihren Füßen
knackte oder ein Vogel aufschrie. Seit ihrem elften Lebensjahr hatte
sie für den Vater und den großen Bruder wie eine Dienstmagd geschuftet
und die kleinen Geschwister vor dem Verhungern bewahrt. Egal, ob
Schneetreiben herrschte oder ein Fieber sie schüttelte, war sie morgens
um fünf Uhr in den Stall gehuscht, um die einzige Kuh der Familie zu
melken. Leichtfüßig, mit einem Stängel Sauerampfer zwischen den Zähnen,
wanderte sie aus ihrem alten Leben heraus und hinein in ein neues.
Die ersten Tage im Schloss waren
fürchterlich. Man scheuchte sie herum, befahl ihr, Laken zu säumen und
nach einer halben Stunde schon wieder aufzuhören und andere zu stopfen.
Niemand schien genau zu wissen, wer sie eingestellt hatte. Außerdem
ärgerte es die anderen Bediensteten, dass man ihr eine Kammer ganz für
sich zuwies, während alle anderen zu viert schliefen und zu zweit in
ein Bett krochen. Elisabeth fragte wenig, ließ sich das reichliche
Essen schmecken und wartete.
In der fünften Nacht weckte sie ein Lakai. Fröstelnd eilte sie
dunkle, zugige Gänge entlang und stolperte über Holzlatten und
Farbkübel. Im Schloss wurde seit fast einem Jahrzehnt gebaut. Elisabeth
war weder ängstlich noch überrascht, sondern erleichtert, dass es jetzt
endlich so weit war.
Für den Markgrafen schien es noch Tag zu
sein. In seinem privaten Appartement brannten unzählige Kerzen. Auf dem
Tisch waren Muscheln, Kalbsaugen, Wildschweinbraten in
Schokoladensauce, gesottene Krebse, Schalen mit Honigtunke,
Fasanensuppe und gedünsteter Sellerie angerichtet. Auch eine kleine
Pyramide aus buntem Marzipankonfekt hatte man in aller Eile
aufgeschichtet. Obwohl Charles eben erst vom Spieltisch kam, wo er hoch
gewonnen hatte, trug er keine Perücke mehr, war aber prächtig gekleidet
in einen Rock in der Farbe von Rotkehlcheneiern, bestickt mit
Edelsteinen, die Elisabeth nach der ersten Begrüßung ungeniert
befingerte und bestaunte. An seinem Atem roch sie, dass er viel
getrunken hatte.
Elisabeth musste ihm gegenüber auf einem Armstuhl Platz
nehmen, deren steifer Bezug sie an den bloßen Armen kratzte. Sie bekam
Wein eingeschenkt, Tokaier, wie er sagte, und sie leerte mit einem
Schluck das halbe Glas, damit es ihr wärmer wurde. Wieder erzählte er
ihr von seiner Reise nach Frankreich, vieles Neue und noch einmal das
von den Mohrenkindern, die auf den Fluren von Fontainebleau hin und her
schlitterten wie auf einer Eisbahn.
Elisabeth lachte und lachte und zog Charles an den langen
blonden Strähnen, die sich aus seinem Nacken lösten. Während er noch
mehr aß und trank und über den schwächlichen Schwager in Bayreuth
spottete, dem schon nach zwei Humpen Bier speiübel wurde, suchten ihre
Augen die schattigen Höhlen des Zimmers ab. Hellwach wanderten sie über
die honigfarbenen Kommoden mit den geschweiften Beschlägen und das
gewaltige Bett mit seinen gefransten Samtvorhängen. Sie sah die
Schatten des Kaminfeuers über Gemälde lecken und wie sich ihr Mund in
der Klinge des schweren Silbermessers spiegelte, mit dem sie mühsam
hantierte. Durch ihren Kopf schossen abstruse Zahlen, Summen, die der
Jude wohl für solche Kostbarkeiten zahlen würde.
Als sie später in den seidenen Kissen zusammenlagen, bettete
Charles seinen Kopf auf ihren Bauch und streichelte ihr zärtlich über
das rechte Knie, aber da war sie schon fest eingeschlafen. Erst im
Morgengrauen ließ er sie von einem Lakaien zurück in ihre Dachkammer
bringen. Er aß im Bett seine Morgensuppe und zog sich dann pfeifend
ohne Hilfe eines Dieners an. Frisch und fröhlich wie schon lange nicht
mehr, brach er mit Reitzenstein und Gefolge auf, um zum Bruckberger
Jagdschloss zu reiten.
Den ganzen Winter über holte man sie nachts
zum Markgrafen, zweimal die Woche, manchmal auch dreimal. Sie hatte
keinerlei Scheu vor ihm, war herzhaft, ungestüm und immer heiter. Sie
trällerte kleine Gassenhauer, plauderte beim Likör von
Messerstechereien und Hexenzauber. Sie raunte ihm Gerüchte aus Dörfern
ins Ohr, die zu seinem Besitz gehörten, die er aber noch nie besucht
hatte. Dass diese Art der Unterhaltung dem Markgrafen am meisten
gefiel, begriff
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