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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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gleich am nächsten Tag Heistermann kommen. Wie
fast immer wurde der Hofzwerg der verstorbenen Markgräfin Christiane
Charlotte in einer eigens für ihn gefertigten Sänfte, an dem groß das
Wappen von Brandenburg-Ansbach prangte, in das Audienzzimmer getragen.
Heistermann trank und aß viel, und das Gehen auf seinen kurzen Beinen
fiel ihm schwer. Gleich als der Serenissimus ihn begrüßte, fing er zu
nörgeln an. Die vielen Handwerker, vor allem das italienische Gesindel,
die sich nun schon seit Jahren im Schloss eingenistet hatten wie Flöhe
bei einer Witwe mit überschießenden Körpersäften, störten ihn.
Heistermann besaß wie kaum ein anderer am Hof das Vertrauen des
Markgrafen. Der Zwerg trug auch für einen Hofrat auffallend
extravagante Schuhe. Die perlgraue Seide drehte sich in den Spitzen wie
ein Schwanenhals nach oben, und auf der großen silbernen Schnalle
funkelten zu Rosenbouquets zusammengesetzte Diamanten. Man munkelte,
die verstorbene Regentin habe ihm immer wieder heimlich Geld zugesteckt.
    Auf seinen Schultern saß ein nicht nur für den kleinen Körper
ungewöhnlich großer, sondern auch besonders fleischiger Kopf mit
wulstigem Nacken. Die Augenbrauen wuchsen ihm über der Nase zusammen,
und Charles erinnerte sich, dass seine Mutter ihrem Zwerg von Zeit zu
Zeit befohlen hatte, sich die langen Haare aus Nasen- und Ohrenlöchern
zu zupfen.
    Der Markgraf zog aus einer Tasche eine kleine, eiförmige Dose
aus Rosenquarz, eingesponnen in ein Netz aus Golddraht, die er sich
erst kürzlich aus Dresden hatte kommen lassen. Er klappte den
emaillierten Deckel auf und lehnte sich mit ausgestrecktem Arm weit
vor, damit sich Heistermann leicht von den kandierten Veilchen nehmen
konnte. Die Dose war noch gut gefüllt, so dass ihre eigentliche
Leckerei verborgen blieb.
    »Heistermann, schauen Sie.«
    Charles zog den Arm wieder zurück und winkte den Zwerg zu
sich. Der kleine Mann ließ sich schwerfällig vom Sessel plumpsen und
wankte zum Sessel des Markgrafen. Charles kippte ihm alle Süßigkeiten
auf einmal in die Hand und hielt ihm dann die Miniatur in der
Innenseite der Dose direkt vor die Nase.
    »Mon Dieu .«
    Heistermann zog die Luft scharf durch die Zähne. Auf blauem
Grund streckte sich ein hummerfarbener Penis aus, lang und steif wie
ein Fahnenmast, auf dem drei hübsche Ballettmädchen tanzten.
    »Hochfürstliche Durchlaucht pflegt einen Geschmack, wie er
nicht delikater sein könnte«, schmeichelte der Zwerg und wusste doch
längst, dass es heute um etwas anderes als um galante Obszönitäten ging.
    »Sie bekommt ein Kind von mir«, platzte Charles heraus und
strahlte Heistermann aus seinem rotwangigen Bubengesicht an.
    »Ihre Königliche Hoheit?«
    Charles fuhr mit einer Hand durch die Luft, als wollte er eine
Mücke verjagen.
    »Elisabeth!«
    »Elisabeth heißt also das schöne Kind vom Land.«
    Natürlich hatte Heistermann von den Gerüchten gehört, aber
bislang keinen Namen gewusst. Jetzt sollte er auch noch gleich eine
Lösung finden.
    Nach einer Stunde war beschlossen, dass Elisabeth für sich und
den markgräflichen Bastard ein Schloss bekommen sollte. Heistermann war
eingefallen, dass Georgenthal, welches der verstorbene Onkel Georg
Friedrich vor vierzig Jahren als Jagdquartier hatte bauen lassen, leer
stand. Abgeschieden wie es war, würde es sich ideal für diesen Zweck
eignen. Der Markgraf konnte es sowohl von Gunzenhausen als auch von
Triesdorf her schnell erreichen. Charles tätschelte seinem Zwerg die
fetten Wangen und versprach, ihm gleich in Dresden eine Dose mit
ebensolchem hübschen Innenleben zu bestellen. Beide wussten, dass das
kleine Schloss völlig verwahrlost war. Man brauchte also wieder einmal
die Juden. Heistermann schlug vor, sich zunächst an Low Israel zu
wenden. Israel war einer der wenigen Menschen außer dem Markgrafen und
der verstorbenen Markgräfin, der sich der Zuneigung des Zwergs erfreute.
    Noch am selben Tag erschien Low Israel bei
Hofe. In seinem schweren, an der Vorderseite mit Pelzborten und
Goldfäden verzierten Kaftan umgab ihn ein gewisser orientalischer
Flair. Allerdings ging Low Israel im Gegensatz zu den meisten in
Ansbach, Erlangen oder Heilsbronn ansässigen Männern seines Volkes
schon seit einigen Jahren bartlos und trug eine Perücke. Sein jüngerer
Bruder Mosche avancierte gerade in Paris und versorgte den Prinzen
Conti mit frischem Geld, damit sich dieser seine ebenso geistreiche wie
juwelensüchtige Mätresse, die Comtesse de Bouffies,

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