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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Betz
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riss ein Fenster auf und schrie in den
Hof hinunter, dass man Bier und Fleisch für die neue Herrin, die Frau
Wünschin, richten solle.
    Elisabeth inspizierte auch die Zimmer des Gesindes bis hinauf
in den nach frisch geschnittenem Holz riechenden Dachboden, wo sie mit
Befriedigung registrierte, dass sich hier fabelhaft Wäsche, Apfelringe,
Pilze und Kräuter trocknen ließen. Dann schaute sie sich die Keller für
Kraut, Rüben, Bier, Wein, die Räucherkammer und als Letztes die Küche
an.
    So lange stand sie vor dem Herd, dass der Markgraf ungeduldig
wurde und mit einem Humpen Bier nach draußen in den sonnigen Nachmittag
ging. Noch nie zuvor hatte sie einen geschlossenen Herd gesehen, ja
nicht einmal davon gehört. Immer wieder ließ sie sich von dem Maurer,
der gerade noch das Mauerwerk frisch verputzte, das Prinzip erklären.
Alles Feuer blieb im Innenraum gefangen, durch eine Klappe wurden
Brennholz und Kohle nachgeschoben, während der Rauch durch ein Rohr
nach draußen verschwand. Die Tiegel und Kasserollen oben auf der
Eisenplatte würden aber trotzdem warm, und Wasser könne schneller als
sonst zum Kochen gebracht werden. Elisabeth war begeistert und wollte
auf der Stelle Wasser kochen, doch es ließ sich in der neuen Küche kein
einziger Topf auftreiben.
    »Eine Erfindung aus Frankreich«, sagte der
Markgraf, als sie schließlich, überwältigt von so viel Luxus, zu ihm an
den Graben kam, wo er mit einer langen Rute beharrlich die Böschung
peitschte und gut gelaunt zusah, wie die Frösche ins Wasser sprangen.
Elisabeth legte ihm eine Hand auf die Schulter.

4
    O bwohl es schon Anfang September 1735 war,
hockte die Hitze noch immer brütend wie ein staubiges Huhn auf der
Stadt. Die fauligen Ausdünstungen aus den Höfen zogen auch mit der
Abendluft nicht ab. Frisch geschlachtetes Fleisch wurde grau und
schillerte bald grünlich. Milch nahm, obwohl man sie sofort in die
Keller brachte, schon am zweiten Tag einen sauren Geschmack an. Viele
Menschen litten unter Koliken und Durchfall, drei Kinder verstarben
rasch hintereinander. Man erzählte sich, dass junge Burschen nachts in
die Rezatwiesen zogen und nackt in den Fluss stiegen, obwohl sie gar
nicht schwimmen konnten.
    Auch die Markgräfin hatte sich von einer
Zofe davon berichten lassen, die ihr den Schweiß vom Körper rieb und
ihr zum vierten Mal an diesem Tag das Batisthemd wechselte. Danach lag
Friederike mit bergamottegetränkten Lappen auf der Stirn auf einem
Tagesbett und diktierte einen Brief an ihre Schwester, die erst vor
zwei Wochen Herzogin in Wolfenbüttel geworden war. Friederike wählte
nebulöse Formulierungen und spickte sie mit Bosheiten gegen die
Bayreuther Schwester. Die, nachdem der alte und geizige Markgraf im Mai
endlich gestorben war, mindestens einmal im Monat eine italienische
Oper aufführen ließ und sogar an eigenen Werken herumkomponierte.
Vielleicht würde, mit diesem Gedanken brachte Friederike wenigstens
eine der vielen öden Stunden dieses Tages herum, die gute Lottine der
wichtigtuerischen Wilhelmine den Rang ablaufen.
    Sie selbst hatte dazu keine Chance. Das Ansbacher Opernhaus
war schon zwei Jahre vor ihrer Ankunft abgerissen worden, um dem Anbau
des Schlosses Platz zu machen. Außerdem waren ihr Opern egal. Auch der
Markgraf konnte keinen Ton vom anderen unterscheiden und verprasste
sein ganzes Geld mit seiner Falknerei.
    Ihr Siegel war schon ordentlich aufgedrückt, als Friederike
selbst dieses kleine intrigante Vergnügen nutzlos vorkam. Statt den
Brief an die Postkutsche zu leiten, übergab sie ihn dem Feuer.
    Anschließend schickte sie nach der Amme, ihr den zweijährigen
Erbprinzen zu bringen. Sie lobte sein lavendelfarbenes Kleid, über das
er allerdings oft stolperte, gab ihm kleine Zuckerkuchen und ließ die
langen Schnüre aus Passauer Flussperlen, die sie zu seiner Geburt
bekommen hatte, vor seinen dicken Händchen hin und her baumeln, bis er
vor Zorn schrie und sie ihn zurück in die Arme seiner Amme drückte.
    Es war der Robinson Crusoe, sie
wusste es genau, der wie ein ungeübter Ebenist mit seiner feinen Säge
merkwürdige Figuren in ihre trockene Langeweile schnitt. Als das Buch
vorgestern in einer neuen französischen Übersetzung eintraf, setzte sie
sich damit drei Stunden auf den Leibstuhl und gab vor, Verstopfung zu
haben. Sie nahm den kleinen Band mit seinen hübschen Einsprengseln auf
pistaziengrünem Grund zur Ausfahrt in den Hofgarten mit und las, bis
eine Springbrunnenfontäne, in die der Wind

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