Falkenjagd
spazieren konnte und die einem ein allzeit
munteres Lachen schenkte, das ihre zähe Natur und ihren festen Willen
einhüllte wie das Eiweiß den Dotter.
»Elisabeth, du bist meine Frau Wünschin.«
Charles lachte über dieses Wortspiel leise in sich hinein.
Elisabeth, die gerade in eine Marzipankugel biss, nickte ihm gütig zu.
Der scharfe, säuerliche Geruch der ersten
Wiesenmahd wehte zu ihnen hinein. Bald klang das Hämmern und Klopfen
der Zimmerleute und Steinmetze durch den Wald. Elisabeth reckte ihren
Kopf durchs Wagenfenster, doch außer dem bemoosten Dickicht der Bäume
und der Staubwolke, die den Reitern folgte, konnte sie noch nichts
erkennen. Georgenthal tauchte erst auf, als die Pferde vor der schmalen
Zugbrücke strauchelten und die Kutsche beinahe kippte. Erschrocken über
den hohen Besuch, legten die Handwerker und ihre Gehilfen die Werkzeuge
aus der Hand, so dass Elisabeth nur noch das laute Quaken der Frösche
vernahm, die zu Hunderten im Wassergraben saßen.
Würde sie in Zukunft noch viel anderes von der Welt
mitbekommen als dieses Schmatzen und Plumpsen im schwarzgrünen Wasser?
Elisabeth erfasste ihr zukünftiges Zuhause mit einem schnellen Blick.
Was sie sah, traf sie wie ein dumpfer Schlag: das prächtige Fachwerk
und die stolzen Giebel von Georgenthal, der schmale, gepflasterte
Hofplatz, geduckt dahinter wahrscheinlich ein Wirtschaftshaus, ein
Gemüsegarten. Alles war umgeben von einem Graben, der nur mittels einer
Brücke überquert werden konnte, die ein Bediensteter sogleich wieder
hochzog, nachdem sie sie passiert hatten. Noch bevor Elisabeth ihr
zukünftiges Reich richtig betreten hatte, begriff sie, dass sie in dem
entlegensten Winkel gelandet war, den das Markgrafentum zu bieten hatte.
Der Wald verschluckt mich, dachte sie. Keiner würde merken,
wenn ich hier eingehe. Dunkle Baumwipfel drängten sich von allen Seiten
in den Himmel und ließen nur einen kleinen blauen Ausschnitt offen.
Warum lässt er mich und das Kind nicht in einem Haus in der Stadt
wohnen oder wenigstens in einem Dorf? Warum sperrt er uns ein? Sie
schenkte dem Markgrafen ein gewohnheitsmäßiges liebliches Lächeln, aber
in ihrem Kopf brummten die Gedanken wie eine unter einem Wasserglas
gefangene Hummel.
Mit vielen Worten zeigte er ihr die drei
prächtigen Zimmer im Obergeschoss. Eines davon, das Speisezimmer,
sollte noch mit neumodischen Papiertapeten ausgeschlagen werden.
Elisabeth fragte nicht weiter nach. Dinge, die noch nicht an Ort und
Stelle waren, interessierten sie wenig und lohnten nicht die Worte.
Auch das war eine Lektion aus der Zeit, als ihr die Mutter abends einen
nassen Lappen in den Mund gedrückt hatte, wenn sie vor Hunger nicht
einschlafen konnte. Dafür lobte sie die polierten Fichtendielen mit
Eichenriegeln im mittleren Raum. Dann ging ihr Blick nach oben. Eine
Weile stand sie schweigend da, die Arme im Rücken verschränkt, und
betrachtete das ovale Ölgemälde, das in den Deckenstuck eingelassen war.
»Die Maschine aus Holz war schon fix und fertig, um Feuerlein
unter die Decke des Festsaals in der Residenz zu hieven«, erzählte der
Markgraf und beschrieb ihr diese in allen Einzelheiten. Dann aber habe
man sich zu guter Letzt doch noch für den berühmten Carlo Carlone
entschieden. Mit ihm ließ sich eben mehr Ehre machen.
»Den Entwurf Feuerleins, der auch schon meinen Vater, die
Mutter und mich als Kind porträtiert hat, will ich dir und dem Kind
sichern, und habe ihn deshalb hierherschaffen lassen.«
Erwartungsvoll schaute er Elisabeth an, deren Augen gebannt an
der Decke hafteten. Aus einem Gewitterhimmel voller lila aufgetürmter
Wolken stürmten ihr drei Gestalten entgegen, die nur von lockeren
Gewändern umhüllt waren. Mit rudernden Armen deutete ihr der Markgraf
den Sinn des Bildes als eine Darstellung des Ansbacher Herrscherpaares,
symbolisiert durch die höchsten Götter des Olymps, Zeus und Hera, die
gerade ihren geflügelten Boten Hermes mit Befehlen und Verordnungen für
die Landeskinder auf den Weg schickten.
Elisabeth fragte sich, warum man solch ein besonderes Bild so
hoch an die Decke hängte, wo kein vernünftiger Mensch lange hinschauen
konnte, ohne Nackenschmerzen zu bekommen. Sie drehte sich in Richtung
der nächsten Tür, so dass Charles wohl oder übel verstummte und wieder
ihren Arm ergriff. Zusammen gingen sie weiter in das Zimmer, das ihr
Schlafzimmer sein sollte.
»Spürst du schon Kindsbewegungen?«, fragte er, wartete ihre
Antwort aber nicht ab, sondern
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